CHINAHIRN liest…

Die Transatlantische Illusion von Josef Braml. Die Illusion ist, dass Europa und die USA meinen, sie hätten ausschließlich gemeinsame Interessen. Eine etwas unzeitgemäße These in Zeiten des Ukraine-Krieges, der doch den Westen eher zusammenschweißt. Braml verweist auf sein Buch „Der amerikanische Patient“, das 2012 erschien. Auch damals, sagt er heute, war er seiner Zeit voraus. Jahre später kam Trump und bestätigte ihn. Braml, der lange Jahre für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gearbeitet hat, sieht vor allem unterschiedliche Interessen bei der Einordnung Chinas: „Während die USA China eindämmen wollen, hat Europa weniger ein Problem mit dem chinesischen Aufstieg an sich, von dem es vor allem wirtschaftlich profitiert.“ Er sieht die Gefahr, dass die USA in ihrem technologischen und wirtschaftlichen Ringen mit China Drittstaaten (also auch Deutschland) „vor die Wahl stellen, entweder mit Amerika oder mit China Geschäfte zu betreiben.“ Im schlimmsten Falle könnten die USA den Europäern gar mit dem Entzug des militärischen Schutzes drohen. Wie kann, wie muss Europa darauf reagieren? Braml plädiert für eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und fordert „Mut zu strategischem Denken“, den er vor allem Emmanuel Macron attestiert. In seinen, am Schluss des Buches formulierten „Leitlinien einer neuen (europäischen) Außenpolitik“ fordert Braml: „Deutschland sollte mit Frankreich eine gemeinsame Strategie verfolgen, die auch die nukleare Abschreckung beinhaltet.“ Europa müsse darauf hinarbeiten, sich selbst verteidigen zu können. Eine kluge und realistische Analyse der neuen multipolaren Welt, geschrieben von einem Transatlantiker, der kritische Worte gegenüber den USA nicht scheut. 

Info:

Die Transatlantische Illusion von Josef Braml, C. H. Beck, 176 Seiten, 16,95 Euro.

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