POLITIK I Nach der Ukraine nun Taiwan?

„Heute die Ukraine, morgen Taiwan“ – nur wenige Stunden nach der russischen Invasion in der Ukraine tauchte dieser Slogan in den Medien Taiwans auf und verbreitete sich weltweit. Donald Trump meldete sich in „The Clay Travis & Buck Sexton Show” zu Wort: ”Taiwan is next”. Jetzt, wo die Olympischen Spiele vorbei sind, werde China in Taiwan einmarschieren, kündigte der Ex-Präsident an. Für simple Denker ist es ja die gleiche Situation: Großmacht attackiert kleines Nachbarland. Wenn man das gleichzeitig mache, hätte der Westen, vor allem die USA, ein Problem. Also hätten Xi und Putin mehr oder weniger gleichzeitige Attacken abgesprochen. Eine chinesisch-russische Verschwörungstheorie also. Nur: Daran glaubt nicht einmal die taiwanesische Regierung. Sie lässt verlauten: „The slogan is inappropriate.“ Natürlich verfolgt man in Taipeh die Entwicklung in der Ukraine sehr aufmerksam. Natürlich solidarisiert man sich mit der angegriffenen Ukraine. Symbolisch wurde der gigantische Wolkenkratzer Taipei 101 in gelb-blau illuminiert. Aber sonst gibt es wenig Gemeinsames zwischen Taiwan und der Ukraine. Scott Berrier, Direktor der amerikanischen Defense Intelligence Agency, wird in der “South China Morning Post” zitiert : “Taiwan and Ukraine are two completely different things.” Charles Parton, langjähriger britischer Diplomat, schreibt: „Putin´s invasion of Ukraine does not make Xi´s invasion of Taiwan more likely.” China-Experte George Magnus (Oxford University) verkündet in “The Guardian”: “Russia´s invasion of Ukraine makes comparable Chinese actions on Taiwan less, rather than more, likely.” Warum stimmt die Analogie Ukraine-Taiwan nicht? Zunächst gibt es militärische Gründe. Die Chinesen sind sicher ebenso wie die Russen über den Widerstand des ukrainischen Militärs und der Freiwilligen überrascht. Die Ukraine kann nicht auf militärischen Beistand zählen, aber Taiwan schon. Denn es gibt den Taiwan Relations Act, nach dem die USA bei einem Angriff in welcher Forme auch immer helfen müssten. Zudem ist Taiwan eine Insel. Eine solche Invasion ist eine ganz andere militär-logistische Herausforderung, für die China derzeit offenbar noch nicht gerüstet ist. Oriana Skylar Mastro (Stanford University) schreibt in Foreign Affairs: „Xi will asset Chinese control over the island only if he is confident his military can conduct a successful amphibious invasion and he believes the timing is right for his own carrier.” Gerade letzter Punkt ist ein weiteres Argument gegen eine aktuelle Invasion Taiwans. Xi Jinping will sich im Herbst auf dem 20. Parteitag der KP auf Lebenszeit inthronisieren lassen. Eine Invasion kann er sich deshalb derzeit nicht leisten. Denn eine solche könnte verheerende Folgen haben – militärisch und wirtschaftlich. Es würde mit Sicherheit zu Sanktionen des Westens kommen. Diese würden „devastate the Chinese and (global) economy“, prophezeit der britische Ex-Diplomat Charles Patron. Und er fügt hinzu: „Xi is more conservative in geopolitics. He is no Putin – at last for the present.”

Info:

Hier die Links zu den oben erwähnten Artikeln:

Charles Parton: https://www.geostrategy.org.uk/britains-world/after-the-invasion-the-future-of-china-russia-relations/

George Magnus: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/04/china-has-little-to-gain-but-much-to-lose-as-russias-ally

Oriana Skylar Mastro: https://www.foreignaffairs.com/articles/taiwan/2022-03-03/invasions-are-not-contagious

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