Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Krieg in der Ukraine dauert an, das Elend im Land nimmt zu, ebenso die Angst vor einer Eskalation. Immer wieder mal wird zwischen der Ukraine und Russland verhandelt. Macron und Scholz telefonieren stundenlang mit dem Despoten Putin. Israel, die Türkei und Gerhard Schröder versuchen zu vermitteln. Bislang alles vergebens. Der Einzige, der den Mann im Kreml zur Umkehr seiner Gedanken und Panzer bewegen könnte, sitzt in Beijing und heißt Xi Jinping. Das sagen viele Politiker und Kommentatoren im Westen. Stellvertretend zitiere ich Michael Schaefer, deutscher Ex-Botschafter in Beijing, aus dem Hauptstadtbrief: „China ist im Moment vielleicht die einzige Macht, die Putin zu einem gesichtswahrenden Rückzug bewegen könnte.“ Aber wie reagiert Xi auf das westliche Flehen? Er zaudert. Warum soll er dem Westen entgegenkommen, wenn dieser ihn wie Putin dämonisiert? Der Westen stelle Peking in die Nähe Moskaus, klagt Schaefer und fügt hinzu: „Das ist unvernünftig und kontraproduktiv.“ Der Ex-Diplomat fordert vertrauliche Gespräche zwischen EU, USA und China. Ob sie bereits stattfinden? Es gibt zaghafte Andeutungen, wie zum Beispiel das Dreiergespräch Xi-Macron-Scholz. Oder das amerikanisch-chinesische Treffen in Rom. Sollte China diesen mühsamen Weg der Diplomatie gehen, könnte es viel Vertrauen im Westen (zurück-)gewinnen. Entscheidet Xi sich aber für die Nibelungentreue zu Putin, ist das schlecht für China und die ganze Welt. China wird dann vom Westen als Unterstützer eines Paria-Staates gebrandmarkt werden und irgendwann auch in die Sanktionsspirale des Westens geraten – mit gravierenden Folgen für die chinesische, aber auch für die globale Wirtschaft. Wir hätten dann wieder eine bipolare Welt und einen Kalten Krieg 2.0, der viel gefährlicher wäre als der erste Kalte Krieg.

Wolfgang Hirn

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