OLD CHINA HANDS I Uwe Blaurock, Gründer der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung (DCJV)

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Uwe Blaurock (79).

Lange Zeit hatte Uwe Blaurock mit China nichts am Hut. Er machte eine veritable juristische Karriere: Studium – Promotion – Habilitation.  Sein Spezialgebiet war die Rechtsvergleichung, und zwar in erster Linie mit westlichen Staaten. China gehörte da nicht in sein Blickfeld. Doch das sollte sich ändern. 1983 landete eine Anfrage der Provinz Jiangsu in der niedersächsischen Staatskanzlei, ob das Bundesland nicht beim Aufbau einer juristischen Fakultät an der Universität Nanjing helfen könne. Hannover empfahl Göttingen. Aber wer unter den Göttinger Juraprofessoren sollte das machen? Als Rechtsvergleicher fiel die Wahl auf Blaurock. So reiste Uwe Blaurock im Spätsommer 1985 zum ersten Mal nach China, und sprach an der Uni Nanjing über deutsches Recht. „Es war eine  interessante Zuhörerschaft“, sagt Blaurock. Vorne saßen die Germanisten, hinten grün Uniformierte, also ehemalige Soldaten, die zu Richtern umgeschult werden sollten. Denn in der Post-Mao-Ära gab es weder Recht noch Richter. Nach drei Monaten war Blaurock zurück in Göttingen und musste feststellen: „Ich war vom China-Virus infiziert“. Außerdem brachte er die Erkenntnis mit: „Wenn diese Kooperation erfolgreich sein soll, braucht das ein Institut in Nanjing.“ 1988 wurde dort das Deutsch-Chinesische Institut für Wirtschaftsrecht gegründet, an dem Blaurock jährlich unterrichtete, und zwar bis 1995. Dann wechselte er von Göttingen nach Freiburg, wo er das Institut für Wirtschaftsrecht leitete. Er blieb aber dem Thema China treu, denn er war noch auf einer zweiten Schiene Richtung China unterwegs. Im Sommer 1986 war er einer der Gründer der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung (DCJV), die vom Auswärtigen Amt und vom Bundesjustizministerium mit angestoßen wurde. Der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Benno Erhard wurde erster Präsident, Blaurock sein Vize. 2002 wurde dann Blaurock sein Nachfolger und blieb bis vergangenes Jahr Präsident der DCJV. Der Verband, der heute mehr als 700 Mitglieder zählt, ist weit mehr als nur ein Juristenclub. Er hatte immer wieder mal auch eine politische Funktion. Zum Beispiel 1989/90. Nach Tiananmen herrschte Funkstille zwischen Bonn und Beijing. Die beiden liberalen Minister Kinkel (Außen) und Engelhard (Justiz) wollten jedoch den Kontakt zu China aufrechterhalten. „Die DCJV war ein ideales Vehikel“, sagt Blaurock, „wir waren eine offiziöse, aber keine offizielle Organisation.“ Und so kam es bereits im Oktober 1990 zu einer „Vereinbarung zum Austausch im Rechtswesen“ zwischen der DCJV und dem Rechtsamt des Staatsrats. Man traf sich jährlich zu Diskussionen über die Rechtssysteme beider Staaten. „Das hat ganz gut funktioniert“, blickt Blaurock zurück. Offenbar so gut, dass die Vereinbarung als Blaupause für den 2000 von der Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingeführten Rechtsstaatsdialog mit China diente. „Da waren wir Vorbild“, sagt Blaurock, der noch an einem anderen Projekt mit Vorbildfunktion beteiligt war: Ein Übersetzungsprojekt an der China Universität für Politik und Recht in Beijing. Dort übersetzen chinesische Juristen, meist in Deutschland ausgebildet, wichtige deutsche Rechtstexte und deren Kommentare. Angesichts all dieser deutsch-chinesischen Aktivitäten drängt sich die Frage an den Experten auf: Welchen Einfluss hat das deutsche auf das chinesische Rechtssystem? „Im Zivilrecht hat das deutsche Recht in China Spuren hinterlassen“, antwortet Blaurock. Er sieht im neuen chinesischen Zivilgesetzbuch „durchaus positive Teile“. Dann hätte sich ja die jahrzehntelange Arbeit von Uwe Blaurock, der seit 2011 emeritiert und inzwischen Ehrenpräsident der DCJV ist, gelohnt.

Info:

Hier ein Rückblick von Uwe Blaurock auf 30 Jahre DCJV: https://www.zchinr.org/index.php/zchinr/article/view/1798/1822

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