HU IS HU? Tobias Lindner – neuer, grüner Staatsminister im Auswärtigen Amt

„Ich bin zehn Kilometer von der französischen Grenze entfernt groß geworden“, sagt Tobias Lindner (40) in weicher Aussprache eines Südpfälzers. Er will damit ausdrücken: Ich bin Europäer qua Geburt. Das ist schon mal gut für jemand, der gerade eine wichtige Position im Auswärtigen Amt angetreten hat: Dort ist er deit dem 8. Dezember 2021 Staatsminister. Zuvor war er in der Grünen-Fraktion verteidigungspolitischer Sprecher. Aber Verteidigung und Außenpolitik sind zwei Seiten einer Medaille. Das hat er sofort erfahren. „Ich war kaum 90 Minuten im Amt, da habe ich mir schon das erste Briefing zu Russland geben lassen.“ Die Krise um die Ukraine beschäftigt ihn derzeit am meisten. Aber sein Portfolio ist weit mehr als nur Osteuropa. Auch China gehört unter anderem dazu. Da er sich bislang zu China wenig geäußert hatte, war die China Community gespannt, was er dazu zu sagen hatte. Gleich an zwei Tagen hintereinander bot sich dazu Gelegenheit. Erst am 25. Januar bei einem morgendlichen Briefing der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), wo er zunächst Grundsätzliches zur deutschen Außenpolitik anmerkte: „Wir erleben eine Internationalisierung fast aller Politikfelder.“ Das sei eine gigantische Herausforderung, die aber auch Chancen biete. Der Druck auf bessere Koordinierung steige. Er spricht von neuen Geschäftsfeldern, zum Beispiel Klimaaußenpolitik. Neue Geschäftsfelder – da schimmert der Ökonom in ihm durch. Lindner hatte in Karlsruhe Technische Volkswirtschaft studiert und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gearbeitet. Bei der DGAP kam er nach dem Grundsätzlichen auch auf China zu sprechen. „Wir arbeiten an einer China-Strategie der Bundesregierung“, verkündete er und verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem sich die Sprache gegenüber China „deutlich verändert“ habe. Warum? „Weil sich China verändert hat.“ Das Land vertrete seine Interessen international selbstbewusster, teilweise immer offensiver und rücksichtsloser. Zudem habe sich der bisherige Umgang mit China nicht als erfolgreich erwiesen. Am Nachmittag des 26. Januar hielt Lindner – diesmal in Englisch und mit Krawatte – eine Keynote bei einer Veranstaltung des Mercator Institute for China Studies (Merics). Dort nannte er drei Punkte der deutschen Reaktion auf Chinas offensiveres Auftreten. Erstens: “We will continue to seek cooperation between China and the EU and Germany.” Aber dabei müsse man sich immer fragen: „Does it conform with our values? Is it in our interest? And, certainly not least of all: Does it yield results?” Insbesondere sei Zusammenarbeit bei der Klimapolitik angesagt: “Without China, we cannot implement the Paris and Glasgow agreements. Zweitens: “We are willing to engage in fair competition based on a level playing field.” Das bedeute zum Beispiel strengere Regeln für staatliche Subventionen an chinesische Unternehmen. Während diese beiden Punkte auch unter der alten Bundesregierung mehr oder weniger galten, ist der dritte Punkt, den Lindner erwähnt, deutlich pointierter: „We will be more proactive addressing fundamental disagreements.“ Diese Unterschiede würden künftig in den Gesprächen mit der chinesischen Seite deutlich angesprochen: „We will put a stronger emphasis on values and human rights in our China policy.”

Info:

Das kurze Statement Lindners bei der DGAP und die anschließende Fragerunde am 25. Januar sind hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=EBFShEZB1aw  Die Keynote von Tobias Lindner beim Merics-Event am  26. Januar ist hier nachzulesen: https://www.auswaertiges-amt.de/en/newsroom/news/lindner-merics-china/2508286

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