POLITIK I Symbolischer Olympiaboykott

„Teilnehmen ist wichtiger als Siegen“ – hieß einmal das von Baron Pierre de Coubertin ausgegebene Olympische Motto. Das gilt freilich schon lange nicht mehr für die Athleten und dieses Mal auch nicht für viele Politiker der westlichen Welt. Seit Joe Biden Anfang Dezember den diplomatischen Boykott für die Olympischen Winterspiele in Beijing ausgerufen hat, bekunden viele Politiker im Westen, dass sie im Februar auch nicht nach China fahren werden. Darunter auch solche, die gar nicht eingeladen waren, und solche, die sowieso nicht hingefahren wären. Zum Beispiel die deutsche Außenministerin. Annalena Baerbock sagte gegenüber dpa zur Absage ihrer nicht geplanten Reise: “Ich bin großer Sportfan, aber zu Olympia werde ich in dieser Zeit definitiv nicht fahren – das war für Außenminister auch in der Vergangenheit nicht üblich.“ Stimmt, deutsche Außenminister sind bislang eher nicht zu Olympischen Spielen gefahren. Warum wird dann soviel Lärm um Nichts gemacht? Übrigens habe sie – sagt sie noch – ihre Absage „als Privatperson“ getroffen. Wie bitte? Wenn eine Außenministerin eine solche Entscheidung fällt, ist das ein Politikum. Sich als Privatperson zu tarnen ist undiplomatisch. Wie man es besser macht, zeigt ihr Vorvorgänger Frank-Walter Steinmeier. Der ist inzwischen Bundespräsident. Und Bundespräsidenten fahren schon mal zu Olympia. Steinmeier war zum Beispiel bei den letzten Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang. Doch diesmal fährt er nicht und lässt das ohne viel Getöse verkünden. „Es gibt keine Pläne des Bundespräsidenten, nach Peking zu reisen“, sagte eine Sprecherin des Bundespräsidenten gegenüber der ARD-Sportschau. Dann fügt sie noch hinzu: „Diese Pläne gab es aber auch nicht, bevor die USA ihre Entscheidung bekannt gaben.“ Damit signalisiert er diplomatisch geschickt gegenüber Beijing, dass er nicht auf Druck der Amerikaner reagierte. Zudem steht natürlich auch just während der Spiele seine Wiederwahl an. Ähnlich geschickt verbrämte die für Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser ihre Nicht-Teilnahme. Sie ließ über einen Ministeriumssprecher erklären, dass sie “schon aus Pandemiegründen” nicht selbst nach Peking reisen wolle. Bliebe noch die Frage: Was macht Olaf Scholz? Auch Kanzler sind selten zu Olympischen Spielen gefahren. Merkel drängte es lieber in Stadien und Kabinen zu den deutschen Fußballern bei EMs und WMs. Scholz wird in Merkelscher Kontinuität auch Olympia meiden, aber daraus keine große Show machen.

Übrigens: Die Boykotteure aus den USA haben für 18 Beamte – 15 davon aus dem Außenministerium – Visa beantragt, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Wie passt das mit dem diplomatischen US-Boykott zusammen? Bidens Sprecherin windet sich und sagt, die Beamten seien „for security and medical support“ in Beijing. Vorschlag für eine neue olympische Disziplin: Diplomatischer Eiertanz.

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