DISKUSSION I Ist China das neue Reich des Bösen?

China ist eine aggressive und expansive Weltmacht; China ist das neue Reich des Bösen – das sind mittlerweile in den Medien und in der Politik hierzulande die gängigen Beschreibungen des aufstrebenden Chinas. Aber stimmt das überhaupt? Kaum jemand wagt diese Annahmen zu hinterfragen. Ein paar deutsche Wissenschaftler aus der kleinen Gilde der Friedens- und Konfliktforscher tut das. Die aktuelle Ausgabe der „Friedens-Warte“ (die Zeitschrift stammt aus dem Jahre 1899, deshalb der etwas antiquierte Name) widmet sich den „Mythen der deutschen Sicherheitspolitik“. Zwei der insgesamt sechs vorgestellten Mythen betreffen China. Der erste Mythos lautet: „China ist eine Weltmacht, keine Regionalmacht“. Stimmt nicht, schreiben Witold Mucha und Sven Wöhrmann von der Uni Düsseldorf und versuchen in ihrem Beitrag zu erklären, warum China keine Weltmacht, sondern „nur“ eine Regionalmacht ist. China baue zwar seine regionale Dominanz gegenüber den Nachbarstaaten aus, aber geopolitisch sehen sie China nicht auf Augenhöhe mit den USA. Ihr Fazit: „Trotz des bemerkenswerten sowohl wirtschaftlichen als auch militärischen Aufstiegs Chinas verfügt Peking nicht über die strukturelle Macht, um den Rückstand insbesondere gegenüber den USA aufzuholen bzw. um den Kriterien einer Weltmacht zu entsprechen.“ Zweiter Mythos: „China ist ein neues Reich der Bösen“. Mit diesem setzt sich Michael Staack, Professor Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr Hamburg, auseinander. Staack hinterfragt sieben Narrative, die auch hierzulande die China-Diskussion dominieren. Zum Beispiel: China bzw. die KP unterwandert die Welt, China bedroht die internationale Sicherheit oder China bedroht die Freiheit des Welthandels und der Seewege. Gerade letzterer Vorwurf ist ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass China die größte Exportnation der Welt ist. Staack sieht keine systemische Rivalität zwischen den USA und China. Er schreibt: „Den Kern des amerikanisch-chinesischen Konflikts stellt die Machtkonkurrenz dar, nicht die Ideologie: Die USA würden sich auch dagegen wehren, von einem demokratischen China eingeholt oder überholt zu werden (wie von einem demokratischen Japan in den 1980er Jahren).“ Insgesamt setzen die beiden Beiträge einen notwendigen Kontrapunkt gegenüber der herrschenden China-Bedrohungstheorie. Hier wird nicht journalistisch-populärwissenschaftlich schwarz-weiß gemalt, sondern wissenschaftlich fundiert analysiert, was Kritik an China (Menschenrechte, Uiguren etc.) einschließt. 

Info:

Hier kann die Ausgabe 3-4/2021 der Friedenswarte bestellt werden:  https://www.bwv-verlag.de/detailview?no=2009460321D

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