GESELLSCHAFT I Wet Markets – bald auf dem Trockenen?

Wollte man in China noch weit bis in die 90er Jahre hinein (frische) Lebensmittel kaufen, hatte man nur eine Anlaufstelle: Wet Markets. Das sind große Wochenmärkte, die aber täglich stattfinden. Und dort gibt nicht nur Gemüse und Obst, sondern auch Fisch und Fleisch. Eigentlich alle frischen, nicht-verpackten Lebensmittel. „Nassmärkte“ heißen sie, weil die steinigen Böden meist eine dünne Wasserschicht überzieht, verursacht durch geschmolzenes Eis, das zur Kühlung benutzt wird, durch das Besprühen von Obst und Gemüse und das Abspritzen von eben erst geschlachteten Fleischteilen. Diese Märkte haben Tradition in China und ganz Asien, wo man gerne täglich frische Waren einkauft. Außerdem sind diese Märkte kommunikative Orte, an denen man Nachbarn oder Bekannte trifft. Vor allem ältere Chinesen schätzen diese Kombination aus Einkauf und Schwätzchen. Doch genau darin liegt das Problem der Märkte: Die Alten kommen noch, die Jungen aber nicht mehr. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Lebensmittelhandel hat sich in den vergangenen 30 Jahren revolutioniert. Es entstanden Supermarktketten – einheimische wie ausländische. Wer es noch bequemer haben will, dem liefern E-Commerce-Giganten wie Alibaba oder JD.com Lebensmittel binnen 30 Minuten ins Haus. In den 2010er Jahren kamen noch die Convenience-Stores (Easay Joy, USmile, Hongqi oder wie sie alle heißen) hinzu, die unter anderem schlichte Fertigmenüs anbieten. Denn das ist ein weiterer Trend: Vor allem junge Chinesen kochen nicht mehr selbst – aus Mangel an Lust oder Zeit. Deshalb auch der gewaltige Boom der Lieferdienste wie Meituan oder Ele.me.  Diese strukturellen Trends gefährden die traditionellen Nassmärkte. Doch ein hausgemachtes Problem kommt noch hinzu. Viele Märkte sind wenig einladend. Häufig in den 80er Jahren gebaut, versprühen sie neben Wasser auch sozialistischen Charme. Sie gelten als schäbig, schmutzig und im allerschlimmsten Falle als Hort von Krankheitserregern (siehe – wahrscheinlich – Wuhan). Chinesische Wet Markets haben also baulich wie imagemäßig Renovierungsbedarf. In Hongkong, wo es 211 solche Märkte gibt, hat man sich in den vergangenen Jahren an die Arbeit gemacht. Dort sind einige vorbildliche Märkte entstanden. Kritiker sprechen von einer Gentrifizierung der Märkte, weil kleine Verkäufer verdrängt wurden und stattdessen beispielsweise Kaviar aus Russland angeboten wird. Der Trend zu aufgemotzten Wet Markets hat auch inzwischen das Festland erreicht. Jüngst ging der Wuzhong Markt in Shanghais Wulumuqi Strasse eine Kooperation mit dem italienischen Luxushaus Prada ein. Dort wurden Fleisch und Gemüse in Prada-Papier eingewickelt und die Einkäufe in Prada-Tragetaschen verstaut. Viele junge Frauen tauchten plötzlich in dem Markt auf. Die Aktion war ein Erfolg- vor allem für Prada.

Info:

Hier eine Story über die Probleme der Wet Markets: https://www.sixthtone.com/news/1009250/saving-chinas-wet-markets und hier Bilder von vorbildlich renovierten Wet Markets in Hongkong: https://www.localiiz.com/post/living-shopping-most-beautiful-wet-markets-hong-kong

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