Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping reist schon seit fast zwei Jahren nicht mehr ins Ausland, aber er schickt seine Emissäre. So waren in den vergangenen Tagen nahezu unbemerkt von Medien und Öffentlichkeit zwei seiner besten Deutschland-Kenner in Berlin und im Rest der Republik unterwegs: Shi Mingde, der ehemalige Botschafter, und Wan Gang, der ehemalige Forschungsminister. Beide kennen Deutschland seit Jahrzehnten, beide haben hierzulande ein exzellentes Netzwerk. In dieses begaben sie sich, um herauszufinden, wie die China-Politik der neuen Bundesregierung aussehen könnte. Chinas Führung macht sich Sorgen und stellt Fragen: Wird die deutsche China-Politik unter Olaf Scholz eine andere sein als unter Angela Merkel? Wie stark wird der Einfluss der neuen Außenministerin Annalena Baerbock sein? Diese Fragen stellen sich viele, die sich mit China beschäftigen. Der Koalitionsvertrag gibt eine erste Antwort: Die Beziehung zwischen China und Deutschland könnte schwieriger werden. Aber Papier ist geduldig. Es ist eine lange Liste von Wünschen, die aber bald auf die Realität treffen werden. Und dann setzen die berühmten Sachzwänge ein, die vor allem wirtschaftlicher Natur sein werden. Das wird auch die Außenministerin erkennen müssen. Hinzu kommt: Außenpolitik wird im Kanzleramt gemacht. Und dort sitzen bald die Hanseaten Olaf Scholz und sein treuer Minister Wolfgang Schmidt, beide dialogorientierte Pragmatiker, die keine Berührungsängste haben. So verwundert es nicht, dass sich Schmidt auch mit den beiden chinesischen Emissären getroffen hat. Mit Annalena Baerbock haben sie nicht geredet, aber immerhin mit ihrem außenpolitischen Widersacher Jürgen Trittin. China setzt auf Scholz statt Baerbock. Ich auch.

Wolfgang Hirn

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