OLD CHINA HANDS I Gerhard Hinterhäuser, Ex-Banker

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Gerhard Hinterhäuser (65).

Mitte September 1976 landete eine Truppe deutscher Studenten in Beijing. Es war der dritte Jahrgang des Chinesisch-Programms des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD). Mit dabei waren Stefan Simons (später beim Spiegel u.a. China-Korrespondent), Jörg-Michael Luther (Leiter des Allianz-Büros), Ann Kathrin Scheerer (spätere Ehefrau von Jan-Philipp Reemtsma) – und der 20jährige Gerhard Hinterhäuser. Er hatte gerade zwei Jahre ein Studium in Sinologie und Volkswirtschaft an der Uni Wien hinter sich und wollte unbedingt seine Sprachkenntnisse vor Ort verbessern. Nach ein paar Wochen Beijing wurde er an die Uni ins kalte Shenyang geschickt, wo damals fast keine Ausländer waren.

Es war die erste Asien-Reise Hinterhäusers – und es sollten noch viele, viele folgen. Nahezu seine gesamte Berufszeit verbrachte er in Asien, kaum ein Deutscher kennt die Finanzwelt Asiens besser als Gerd Hinterhäuser. Und das kam so: Nach seinem Abschluss als Diplom-Volkswirt an der Uni Bonn wollte er über ein chinesisches Wirtschaftsthema promovieren. Doch er fand keinen Doktorvater, der sich für ein solch exotisches Thema interessierte. In seiner Not ging er zu Professor Herbert Hax an der Uni Köln. Hax und Hinterhäusers Eltern waren Nachbarn in Wien. Hax sagte: „Toll, dass Sie Japanisch können.“ Hinterhäuser war irritiert: „Wie Japanisch? Ich kann Chinesisch.“ Hax bestand aber trotzdem auf ein Promotionsthema über die japanische Stahlindustrie. So lernte Hinterhäuser im Selbststudium eben noch Japanisch und schrieb seine Promotion. Während der eineinhalb Jahre forschte er auf Einladung der Japan Foundation an der Tokio Universität. Dort lernte er bei einem Abendessen den Head of Research der Investmentbank Jardine Fleming kennen. Sie kamen ins Gespräch und Hinterhäuser bekam sofort nach Abschluss seiner Promotion einen Job als Wertpapieranalyst bei Jardine Fleming in Tokio. Damit begann seine Karriere in der Finanzbranche. Nach Jardine Fleming ging er zur Deutschen Bank, dann zur Hypovereinsbank, ehe er bei der Münchner Rück landete. Seine Stationen waren fast immer in Asien: Tokio, Singapur und Hongkong. Die vielleicht spannendste Zeit erlebte er bei der Münchner Rück. Dort leitete er das Asien-Geschäft der MEAG, der Vermögensverwaltung der Münchner Rück. Diese hatte wiederum eine 20-Prozent-Beteiligung an der Asset-Management-Tochter der PICC, dem gigantischen staatlichen chinesischen Versicherungskonzern mit Sitz in Shanghai. Durch die Beteiligung stand der MEAG ein Vorstandsposten zu – und den hatte Hinterhäuser von 2006 bis 2014 inne. Jede Woche pendelte er von Hongkong nach Shanghai. Dieser Job bescherte ihm tiefe Einblicke in die Welt der chinesischen Staatsunternehmen. Er erinnert sich an lange zeitraubende Meetings, aber auch an eine angenehme Atmosphäre: „Sie waren alle sehr, sehr nett zu mir.“ Und er lernte, dass in diesen Unternehmen die Politik entscheidet: „Über einem ist immer das Parteikomitee.“ Noch während seiner Zeit in Hongkong kaufte sich Hinterhäuser für die Zeit nach der Pensionierung eine Wohnung in Berlin, weil das für ihn die internationalste deutsche Stadt ist. Vor einem Jahr ist er dorthin gezogen. Aber er und seine japanische Frau haben noch eine Wohnung in Tokio. Die beiden Kinder arbeiten in Tokio und Hongkong. Janis Vougioukas bezeichnete ihn mal in einem Porträt in der Süddeutschen Zeitung treffend als „Weltbürger mit europäischen Wurzeln“. Geboren in Bonn, aufgewachsen in Wien, Mutter Italienerin, Frau Japanerin. Hinterhäuser spricht Deutsch, Italienisch, Französisch, Japanisch und Chinesisch. In Berlin ist sein Revier in Wilmersdorf zwischen Fasanen- und Ludwigkirchplatz. Dort traf er vor ein paar Monaten eher zufällig Friedbert Pflüger, einen alten Kommilitonen aus Bonner Zeiten. Der ehemalige CDU-Politiker hatte vor ein paar Jahren das Berliner Beratungsunternehmen Bringmann Pflüger International gegründet. Er fragte, ob Hinterhäuser denn nicht das Asien-Geschäft für Bringmann Pflüger aufbauen wolle. Hinterhäuser wollte. Wie sagte doch einst Gerhard Hinterhäuser: „Wer sich mit China befasst, gibt entweder schnell wieder auf oder tut das für den Rest des Lebens.“ 

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