POLITIK I Gegenverkehr auf der Seidenstraße

Man verliert so langsam den Überblick, wer gerade welche Initiativen gestartet hat. USA, NATO, EU, G7, Japan, Australien – sie alle überbieten sich fast im Wochenrhythmus mit Vorschlägen, wie man auf Chinas ambitioniertestes internationales Projekt – die Seidenstraßen-Initiative – reagieren soll.  Jahrelang hat man im Westen nur lamentiert, jetzt handelt man, aber das ziemlich unkoordiniert. Es sieht eher nach Aktionismus als nach Aktion aus. Aber erst mal der (zeitlichen) Reihe nach. Es war im September 2013, als der frisch gekürte Parteichef Xi Jinping an der kasachischen Nasarbajew-Universität zum ersten Mal von der neuen Seidenstraße sprach. Einen Monat später legte er in Jakarta nach und erweiterte den Landweg um die maritime Seidenstraße. Fortan hieß das Projekt “One Belt, One Road” Initiative. Später wurde daraus die Belt and Road Initiative (BRI). Im Laufe der Jahre wurden in über 60 Ländern in Afrika, Asien und Europa Milliarden in Häfen, Kraftwerke, Schienen, Straßen investiert, oft mit großzügigen chinesischen Krediten versehen. Im Westen stand man dem Projekt lange Zeit etwas ratlos gegenüber. Man rätselte: Was ist das nun? Ein Marketing-Gag, ein Programm zum Abbau von heimischen Überschüssen bei Stahl und Zement, ein gigantisches Infrastrukturprojekt oder ein Beweis für Chinas Neo-Imperialismus?  Vielleicht alles zusammen. Der misstrauische Westen zeigte – außer Griechenland und Italien – jedenfalls wenig Interesse an einer Zusammenarbeit. Die Unternehmen nicht, weil die Vergabepraxis bei den Aufträgen doch sehr undurchsichtig war. Die Regierungen nicht, weil man den Expansionsdrang Chinas nicht auch noch unterstützen wollte. Aber irgendwie wollte man den Chinesen das Feld entlang der Seidenstraße doch nicht alleine überlassen. „We must offer alternatives“, sagte Heiko Maas kürzlich in Brüssel beim Treffen der Außenminister, die am 12. Juli das Programm „A Globally Connected Europe“ beschlossen. Schon im Herbst 2018 hatte der Europäische Rat ein Programm namens “Connecting Europe and Asia –Building Blocks for an EU Strategy” abgesegnet. Passiert ist freilich nicht allzu viel. Es mangelt an Projektideen und vor allem an Geld. Letzteres dürfte auch ein Problem bei dem Projekt sein, das die G7-Staaten auf amerikanischen Wunsch (oder war es Druck?) soeben beschlossen haben: die B3W-Initiative – Build Back Better World. Darin wird eine Investitionslücke von 40 Billionen Dollar in der Dritten Welt konstatiert. Die G7-Staaten wollen helfen, diese Lücke wenigstens etwas zu schließen. Aber von wem – privaten und/oder öffentlichen Investoren– das Geld kommen soll, ist noch unklar. Aber immerhin: Der Westen tut jetzt auch etwas. Lachende Dritte in diesem Wettstreit der Systemrivalen aus West und Fernost könnten die (Entwicklungs-)Länder im Süden sein. Sie können wählen, von wem sie das Geld nehmen.

Info:

EU-Ratsbeschluss vom Oktober 2018: https://www.consilium.europa.eu/media/36706/st13097-en18.pdf,

Beschluss der EU-Außenminister „A Globally Connected Europe“ vom 12. Juli 2021: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10629-2021-INIT/en/pdf

B3W-Initiative der G7: https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/06/12/fact-sheet-president-biden-and-g7-leaders-launch-build-back-better-world-b3w-partnership/

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