POLITIK I Schweizer Diskussion

Die Schweiz sonnt sich gerne in ihrer Neutralität. Das Land ist deshalb kein EU-Mitglied. Erst seit 2002 ist es Mitglied in den Vereinten Nationen. Die Eidgenossen wollen möglichst zu allen Ländern gute Beziehungen pflegen. Auch mit China. Schon im Januar 1950 hat die Schweiz als eines der ersten westlichen Länder diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik aufgenommen. 2013 preschte die Schweiz wieder vor und unterzeichnete als einer der ersten ein Freihandelsabkommen mit China. Solche Partner, die sich aus allem raushalten, mag China, das ja selbst eine strikte Nichteinmischungspolitik betreibt. Also Friede, Freude, Eierkuchen zwischen China und der Schweiz? Nein, nicht mehr. Auch die Schweiz ereilte inzwischen eine Diskussion, wie man mit dem mächtiger werdenden China umgehen soll. Der Bundesrat – im Schweizer Jargon die Regierung – hat im März 2021 eine „China-Strategie 2021-2024“ verabschiedet (siehe CHINAHIRN 19). Darin wird einerseits festgestellt: „Autoritäre Tendenzen haben in den letzten Jahren zugenommen, ebenso die Repression gegen Andersdenkende und die Verfolgung von Minderheiten.“ Andererseits das Bekenntnis zum Dialog: „Die Schweiz sucht gezielt die Zusammenarbeit mit China.“ Vielen Parlamentariern war dieses Einerseits-Andererseits-Papier zu lasch. Druck kommt aus den beiden Volksvertretungen, dem Nationalrat (vergleichbar unserem Bundestag) und dem Ständerat (vergleichbar unserem Bundesrat). Die Außenpolitische Kommission des Nationalrats hat deshalb gerade drei Beschlüsse zur Verletzung von Menschenrechten verabschiedet. Kommissionspräsidentin Tiana Angelina Moser (Grünliberale): „Die Kommission will klar dem Bundesrat mit auf den Weg geben, dass den Menschenrechten mehr Rechnung getragen werden muss.“ Damian Müller (FDP), Vorsitzende der Außenpolitischen Kommission des Ständerats, äußert sich ähnlich. „Wir müssen mit China politische Fragen, insbesondere Menschenrechtsfragen unmissverständlich adressieren“, twitterte er Anfang Februar, als die FDP ihre China-Strategie veröffentliche, die er wesentlich mitformulierte. Wie die FDP hat auch die Sozialdemokratische Partei inzwischen ein China-Strategiepapier erstellt, in dem sie einen Kurswechsel in der China-Politik fordert. Und auch in der bislang eher China-freundlichen Schweizer Volkspartei (SVP) rumort es. Nur ein Beispiel hierfür ist die Diskussion um die Städtepartnerschaft zwischen Basel und Shanghai, die die lokale SVP aufkündigen will. Die eh schon heiße politische Diskussion heizt von außen Ralph Weber an. Er ist Associate Professor für European Global Studies an der Uni Basel und inzwischen der prominenteste akademische China-Kritiker in der Schweiz. Kurz vor Weihnachten 2020 hat er eine 60seitige Studie veröffentlicht, in der er nachzuweisen versucht, wie China Schweizer Behörden infiltriert. Die neutrale Schweiz steckt mitten in einer China-Diskussion, in der sie etwas tun muss, was sie nicht gerne tut: Position beziehen.

Info:

Das Strategiepapier des Außenministeriums kann hier heruntergeladen werden: https://www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/SchweizerischeAussenpolitik/Strategie_China_210319_DE.pdf

Die China-Papiere der beiden Parteien SP und FDP gibt es hier: https://www.sp-ps.ch/de/publikationen/espress/es-braucht-einen-kurswechsel-der-schweizer-china-politik und hier:  https://www.fdp.ch/fileadmin/documents/fdp.ch/pdf/DE/Positionen/Positionspapiere/Aussenpolitik/Factsheet/20210201_Chinastrategie_FDP_d.pdf

Die Studie von Ralph Weber ist hier: https://sinopsis.cz/wp-content/uploads/2020/12/switzerland-rhizome.pdf

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