China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: die Deutsch-Chinesin Honghong Xu (50.)
Honghong Xu war gerade mal ein paar Monate bei der BASF beschäftigt, als ihr Chef zu ihr sagte: „Ich stelle Sie mal jemandem vor.“ Und plötzlich stand die junge, schüchterne Chinesin im Büro eines Vorstands der BASF. Der jemand war Volker Trautz, damals Vorstandsmitglied des Chemiekonzerns. Er sagte zu Xu: „Wir haben ein China-Projekt angefangen, wir brauchen sprachliche und kulturelle Unterstützung. Vielleicht können sie uns helfen.“ Kurze Zeit später sass sie im Flieger mit Vorstand und Aufsichtsrat der BASF Richtung China. Es war Ende der 90er Jahre. Die BASF verhandelte damals über einen neuen gigantischen Verbundstandort in Nanjing. Und mittendrin Honghong Xu.
Wie kam sie in diese Rolle? Xu stammt aus Beijing, ging dort im Haidian-Bezirk auf die berühmte Schule 101. Als sie dort Abitur machte, war ihre Mutter, eine Physikerin, schon in Deutschland an der TU Darmstadt. 1988 kam die Tochter nach. „Ich sprach kein Wort Deutsch.“ Bereits nach einem Jahr sprach sie so gut, dass sie studieren konnte – erst Physik, dann Materialwissenschaften. Danach war für sie klar: Ich gehe zu einem Weltkonzern. Sie hatte die Wahl zwischen BASF und Siemens und entschied sich für das nahe Ludwigshafen. Eigentlich war sie ja fürs operative Geschäft eingestellt worden, aber da sie so gut Deutsch sprach, wurde sie in ihren ersten Jahren bei der BASF als Dolmetscherin eingesetzt, denn sie verstand die Sprache und die Materie. Sie übersetzte für den damaligen CEO Jürgen Strube und seinen Nachfolger Jürgen Hambrecht. Erst nach und nach stieg sie ins operative Geschäft ein, wurde Export- und Produktmanagerin. „Aber der Wunsch, nach Asien zu gehen, war immer da.“ Anfang 2011 kam dann das erwünschte Angebot: Im regionalen Headquarter in Hongkong durfte sie den Bereich Marketing Intelligence aufbauen. „Das war eine aufregende und zugleich entscheidende Zeit, vor allem für meine persönliche Entwicklung – von einer schüchternen zu einer sehr souveränen Frau.“ Plötzlich musste sie, die vorher nur das Sprachrohr anderer war, selbst Reden halten. Ende 2015 wurde sie nach Ludwigshafen zurückbeordert. Wieder Produktmanagerin, aber kaum Bezug zu Asien. Ende 2019 stieg sie nach 24 Jahren bei der BASF aus. „Es war eine schwere Entscheidung.“ An ihrem Wohnort Mannheim gründete sie Peking-Bridge, ein Unternehmen für strategische Beratung. Sie bekam auch gleich einen ersten großen Auftrag vom Schweizer Agrochemiekonzern Syngenta, der ja Chinesen gehört. Zwei Monate wollte sie in China sein. Hotel und Tickets waren schon gebucht. Und dann kam Corona und der Lockdown: „Das war ein Hammer.“ Seitdem versucht sie online Kunden zu betreuen und neue zu gewinnen. Das berufliche und auch private Reisen, das sie und ihr marokkanischer Mann sehr mögen, ist nach wie vor stark eingeschränkt. Stattdessen ist Wandern in der Umgebung, Kochen, Backen und viel Lesen angesagt.
Info:
Mehr über Honghong Xu und ihr Business gibt es hier: https://www.peking-bridge.com/