WIRTSCHAFT I Probleme für ausländische Firmen

Ausländische Firmen in China befinden sich derzeit in einer ungewohnt zwiespältigen Situation. Einerseits können sie gute bis sehr gute Zahlen ins heimische Headquarter melden, da China viel schneller aus der Krise gekommen ist als jede andere große Wirtschaftsnation. Andererseits mehren sich die Probleme. Da ist zum einen das Dauerproblem der pandemie-bedingten Schließung der Grenzen, zum anderen das am 10. Juni verabschiedete Anti-Sanktionsgesetz. Und dann tritt zum Jahresbeginn 2022 noch das neue Einkommenssteuergesetz in Kraft, das die bisherigen Privilegien der Expats streicht. Derzeit ist aber die geschlossene Grenze der Aufreger Nummer Eins. Viele Mitarbeiter sitzen hier wie dort fest, oft auch getrennt von Partnern und Familie. Nach einer aktuellen Umfrage der Europäischen Handelskammer (EUCCC) geben drei Viertel der Firmen an, sie hätten Mitarbeiter im Ausland, die nicht einreisen können. Viele würden nicht mehr warten und hätten aufgegeben. Der Arbeitsplatz China verliert dadurch für Ausländer zunehmend an Attraktivität. Dieser Trend wird noch durch eine ganz andere Maßnahme der chinesischen Regierung verstärkt – das neue Einkommenssteuergesetz. Expats bekommen ja meist die hohen Mieten und das Schulgeld für die Kinder von ihren Arbeitgebern ersetzt. Diese Zuwendungen waren bislang steuerfrei. Ab dem 1. Januar 2022 müssen sie aber versteuert werden. Für die Expats bedeutet dies eine Reduzierung des Nettoeinkommens. Manche Unternehmen sind bereit, dieses Minus zu kompensieren. Die Zeche zahlt also entweder der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber. Hsiao J. Chiu von der Personalberatung JP Contagi hat an einem Modell vorgerechnet, wie hoch diese Zeche sein könnte. Zahlt sie der Arbeitnehmer, muss er mit einem Einkommensverlust von 19 Prozent rechnen. Übernimmt das Unternehmen die Steuerlast, steigen deren Personalkosten um 34 Prozent. Die Folge beschreibt Chiu so: „Der Lokalisierungstrend in der Personalpolitik in China, der bereits durch die Pandemie beschleunigt wurde, wird im kommenden Jahr nochmals an Fahrt gewinnen.“ Ker Gibbs, der Präsident der American Chamber of Commerce in Shanghai, spricht bereits von einem Exodus der Ausländer. Zu diesen Personalproblemen kam am 10. Juni für die westlichen Unternehmen ein weiteres Problem hinzu: An diesem Tag wurde das Anti-Sanktionsgesetz verkündet. Es ist eine Replik auf die diversen Sanktionen, die die USA gegen China verhängt haben.  Das Gesetz sieht Konsequenzen für Unternehmen vor, wenn diese sich an Strafmaßnahmen anderer Staaten gegen die Volksrepublik halten. Beteiligt sich also ein deutsches Unternehmen – in welcher Form auch immer – an US-Sanktionen gegen China, können Unternehmer und Manager des Unternehmens bestraft werden. Beteiligen sich zum Beispiel Adidas oder Puma an der Boykottpolitik gegen Baumwolle aus Xinjiang, können die beiden Sportartikelunternehmen belangt werden. Noch ist unklar, wie dieses Gesetz angewendet wird, aber die Alarmglocken in Unternehmen und Verbänden sind schon mal angegangen. „Anstatt rechtliche Klarheit zu garantieren, wird das Gesetz zum Damoklesschwert für jedes Unternehmen, das in und mit China Geschäfte macht“, sagt Wolfgang Niedermark , Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Alle Aktivitäten im Ausland, die im Widerspruch mit Chinas wirtschaftlichen und politischen Interessen stehen, werden dadurch zum Minenfeld erklärt.“ Wenn die Eskalation zwischen China und dem Westen so weitergeht, stehen die westlichen Unternehmen bald vor der Frage: Mache ich mit China oder dem Westen Geschäfte? Für die Exportnation Deutschland hätte das fatale Folgen.

Info:

Welche Folgen das neue Einkommenssteuergesetz für Expats hat, beschreibt Hsiao J. Chiu hier: https://api.china-bw.net/uploads/cnbw-web/originals/d7a0607e-3aec-464a-a421-5246b890b05f.pdf

Die 16 Artikel des Anti-Sanktionsgesetzes gibt es hier in englischer Übersetzung: https://www.chinalawtranslate.com/en/counteringforeignsanctions/

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