Drei Gipfeltreffen hintereinander dominierten die politische Agenda der vergangenen sieben Tage. Zunächst der G7-Gipfel vom 11. bis 13. Juni im englischen Cornwall. Dann folgte das NATO-Spitzentreffen am 14. Juni in Brüssel und einen Tag später am selben Ort der Gipfel zwischen EU und USA. Immer dabei in persona US-Präsident Joe Biden und als Schreckgespenst im Hintergrund – China. Das Verhältnis der beiden Supermächte dominierte die Agenda bei allen drei Treffen. Biden wollte es so. Und seine Partner folgten ihm mehr oder weniger. Insbesondere Angela Merkel gab diplomatisch verbrämte Widerworte. Aber liest man die Kommuniqués, muss man sagen: Das sind Kampfansagen an China. Oder war das der Beginn eines neuen Kalten Krieges? Hier ein Überblick über die Stationen der Gipfel-Wanderung zwischen Cornwall und Brüssel:
Carbis Bay, 11.-13. Juni: G7
In Cornwall war Rosamunde-Pilcher-Stimmung. Der G7-Gipfel wurde als Familientreffen inszeniert. Aus Amerika kam diesmal Daddy Joe statt der böse Onkel Donald. Die Königin schaute auf ein Gläschen und Schwätzchen vorbei. Es herrschte Bilderbuchwetter am Strand: Die Sieben sonnten sich in ihren (vergangenen) Erfolgen. Früher waren sie mächtig, aber inzwischen ist ihr Anteil an der Weltwirtschaft deutlich gesunken, weil vor allem im fernen Asien mit China ein Rivale herangewachsen ist. Und dem muss Einhalt geboten werden, zumal dieser Konkurrent auch nicht die Werte des Westens teilt. Deshalb beschäftigten sich die Sieben ausführlich mit China, was sich auch in dem 27seitigen Abschlusskommuniqué niederschlägt. Das Wort China taucht dort expressis verbis zwar nur viermal auf, aber „in weiten Teilen liest sich die Gipfelerklärung wie eine Kampfansage gegen China“, kommentiert Alexander Mühlauer in der Süddeutschen Zeitung. Die Sieben kritisierten die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong und Xinjiang, äußerten ernsthafte Sorgen über die Situation im Ost- wie- Südchinesischen Meer und mahnten eine friedliche Lösung im Streitfall Taiwan an. Unter dem plakativen Kürzel B3W (Build Back Better World“) segneten sie zudem einen Gegenentwurf zum Seidenstraßen-Projekt der Chinesen ab. Dessen Finanzierung ist aber bei weitem noch nicht gesichert. Immerhin machten die G7 China auch ein Gesprächsangebot: „We will cooperate where it is in our mutual interest on shared global challenges, in particular addressing climate change and biodiversity loss.” Diese von Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien aufgetischte Kröte musste Biden schlucken. Am Abend gegen 20 Uhr hüpfte seine Air Force One über den Kanal von Cornwall nach Brüssel. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan gab an Bord eine erste Einschätzung: „We actually think this communiqué is a significant move forward from where the G7 has ever been before, and reflects a growing convergence that wasn’t there a few years ago.”
Info:
Das Kommuniqué von Carbis Bay ist hier: https://www.g7uk.org/wp-content/uploads/2021/06/Carbis-Bay-G7-Summit-Communique-PDF-430KB-25-pages-5.pdf Es gibt auch eine Kurzfassung: https://www.g7uk.org/wp-content/uploads/2021/06/Summary-of-Carbis-Bay-G7-Summit-Communique-PDF-248KB-2-Pages.pdf
Brüssel, 14. Juni: NATO
Als sich die Regierungschefs der 30 Nato-Länder am Montagmorgen um 10 Uhr im Nato-Hauptquartier einfanden, war das Abschlusskommuniqué schon längst geschrieben. Vier Wochen war über das Papier verhandelt und gestritten worden. Wichtigster Streitpunkt: China. Klar war: Das Kommuniqué sollte deutliche Worte an China richten. Aber wie sollte China gesehen werden? Als Bedrohung oder als Herausforderung. Man einigte sich auf „challenge“. Wörtlich heisst es unter Punkt 3 der Abschlusserklärung: „ China’s growing influence and international policies can present challenges that we need to address together as an Alliance“. Zehnmal wurde China in dem 79 Punkte umfassenden Kommuniqué namentlich erwähnt, also häufiger als im G7-Kommuniqué. Die Punkte 55 und 56 waren China gewidmet. In Punkt 55 wird konstatiert: “China’s stated ambitions and assertive behaviour present systemic challenges to the rules-based international order and to areas relevant to Alliance security.” Unmittelbar danach werden Chinas atomare Aufrüstung, militärische Modernisierung und Kooperation mit Russland kritisiert. Aber in Punkt 56 folgt gleich das Bekenntnis: “NATO maintains a constructive dialogue with China where possible.” Man darf diese Passage sicher der Hartnäckigkeit der Deutschen zuschreiben. Merkel sagte nach dem Gipfel: „Ich bin ein großer Verfechter der Zwei-Säulen-Theorie.“ Die zwei Säulen sind Abschreckung und Dialog. Und genau diese kommen in den Punkten 55 und 56 zum Ausdruck. Interessant ist noch Punkt 73: “We are enhancing political dialogue and practical cooperation with our long-standing Asia-Pacific partners – Australia, Japan, New Zealand, and the Republic of Korea – to promote cooperative security and support the rules-based international order.” Das Nordatlantische Bündnis orientiert sich also ganz vorsichtig Richtung Pazifik. Das war vor allem ein Petitum der Amerikaner. Präsident Biden konnte sich zufrieden in The Hotel am Boulevard de Waterloo schlafen legen. Der Nato-Gipfel war für ihn kein Waterloo.
Info:
Das Kommuniqué des Nato-Gipfels gibt es hier: https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_185000.htm?selectedLocale=en
Brüssel, 15. Juni: EU-USA
Am 15. Juni setzte Biden seine Charmeoffensive fort. Morgens traf er sich mit dem belgischen König Philippe und Belgiens Premier Alexander de Croo, gegen Mittag dann samt seiner Entourage mit den Spitzen der EU Charles Michel und Ursula von der Leyen. Sie überschütteten sich mit Lobhudeleien. Biden: „Europe is our natural partner. We have a great relationship with the EU.” Von der Leyen: “It´s a great pleasure that you came so early in your mandate. We are your friends. We share the same world view.“ Womit wir beim Thema wären: China. Im siebenseitigen Summit Statement ist Punkt 26 China gewidmet. Darin bekräftigen die beiden Partner, dass sie China als Wettbewerber, Partner und systemischen Rivalen betrachten. Sie kritisieren die Menschenrechtsrechtsverletzungen in Xinjiang und Tibet sowie die Erosion des demokratischen Prozesses in Hongkong. Außerdem äußern sie ihre ernsthafte Betroffenheit über die Situation im Ost- und Südchinesischen Meer. Ach ja, im letzten Satz wird dann noch erwähnt, dass man mit China auch kooperieren könne, zum Beispiel bei Klimawandel, Abrüstung und „certain regional issues.“ Neben schönen, sich wiederholenden Worten gab es auch noch ein konkretes Ergebnis. Die EU und die USA werden einen EU-US Trade and Technology Council (TTC) installieren, der sich vor allem um die gemeinsame Entwicklung von Technologien und deren Standards kümmern soll. Man will so verhindern, dass China künftig weltweit die Standards setzt. Am frühen Nachmittag war der Freundschaftsbesuch in Brüssel beendet. Um 15.10 Uhr hob die Air Force One Richtung Genf ab. Dort wird Biden keine Freunde treffen, sondern Putin, the killer.
Info:
Das EU-US Summit Statement ist hier:
https://www.consilium.europa.eu/media/50443/eu-us-summit-joint-statement-15-june-final-final.pdf