HU IS HU? Peter Hessler, ausgewiesener China-Kenner

Meine erste Begegnung mit Peter Hessler (52) war im Jahre 2000. Sein Buch „River Town“ faszinierte mich. Darin beschreibt der damals junge Amerikaner seine zwei Jahre als Englisch-Lehrer in Fuling, einer Stadt am Yangtze in der Nähe von Chongqing. Seit dieser Lektüre bin ich Fan von Peter Hessler und habe natürlich auch die anderen Werke seiner chinesischen Trilogie gelesen: „Oracle Bones“ und „Country Driving“. In diesen verarbeitete er seine chinesischen Jahre von 1996 bis 2007. 1996 kam Peter Hessler als Peace Corps Volunteer nach China und lehrte zwei Jahre in besagtem Fuling am Teachers College. Danach wollte er in den Journalismus wechseln, aber in China bleiben, dessen Sprache er während seines Fuling-Aufenthaltes gelernt hatte. Er bekam 1999 eine Assistentenstelle bei The Wall Street Journal in Beijing. Damals arbeitete im Beijinger Büro des Journal auch Leslie T. Chang. Sie lernten sich kennen, aber so richtig funkte es zwischen den beiden erst 2003. Da war Hessler schon nicht mehr beim Journal, sondern China-Korrespondent bei The New Yorker, jenem Intellektuellenblatt, das durch lange gut recherchierte Texte glänzt. Für Hessler war dies die ideale journalistische Form. Er hatte Zeit und Raum zu differenzieren. The Wall Street Journal nennt ihn “one of the Western world´s most thoughtful writers on modern China.” Gut, die sind etwas befangen. Ich bin es nicht, kann aber das Urteil nur unterschreiben. Die Hessler-Texte aus jener Zeit sind bester literarischer Journalismus. 2007 gingen Hessler und Leslie Chang – inzwischen verheiratet – zurück in die USA, in ein 700-Seelen-Dorf namens Ridgway im Südwesten Colorados. Beide waren weiterhin journalistisch tätig. Leslie Chang schrieb zudem ihr Buch „Factory Girls“ zu Ende, das auch ein Bestseller wurde. Nach der Geburt der Zwillinge Ariel und Natasha kam im Hause Hessler so etwas wie Aufbruchstimmung auf. Sie suchten eine neue Herausforderung, am besten in einem neuen Kulturkreis. Indien stand zur Debatte und wurde abgelehnt. Zu divers. Lieber der arabische Raum. Aber wohin da? Damaskus wurde sondiert, aber es wurde letztendlich Kairo. Im Oktober 2011 siedelte Familie Hessler in die ägyptische Hauptstadt über und landete mitten im arabischen Frühling. Es gab wieder viel zu schreiben. Bis 2016 waren die Hesslers dort, ehe sie wieder nach Colorado zurückkehrten. Peter Hessler verarbeitete seine Erfahrungen und Erlebnisse in dem 2019 erschienenen Buch „The Buried: Life, Death and Revolution in Egypt.“  Kaum war er damit fertig, kam ein Angebot aus China. Im Herbst 2019 wechselte er nach Chengdu an das Sichuan University Pittsburgh Institute (SUPI). Dort lehrte er Journalismus und Englisch. In einem Interview mit Frank Bures für Long Read sagte er im Oktober 2019 kurz vor seiner Abreise: “I think we´ll be there for five years. I´ll do one year of teaching, and then transition to writing full-time and reporting.” Aus den angepeilten fünf Jahren werden wohl nur zwei werden. In diesen Tagen hat Hessler nämlich die Mitteilung bekommen, dass sein Visum zum Sommer nicht verlängert wird. Familie Hessler muss zurück in die USA. Eine für mich nur schwer nachvollziehbare Entscheidung, die wieder einmal die Widersprüchlichkeit der Herrschenden in China zeigt: Einerseits wird über die einseitige Berichterstattung durch westliche Medien lamentiert, anderseits verprellen sie Autoren wie Peter Hessler, der differenziert über China schreibt.      

Info:

Alle Texte von Peter Hessler, die er für The New Yorker geschrieben hat, gibt es hier – allerdings hinter einer Bezahlschranke: https://www.newyorker.com/contributors/peter-hessler. Von seinen Büchern sind folgende ins Deutsche übersetzt worden: Orakelknochen (DuMont), Über Land (Berlin Verlag) und Die Stimme vom Nil (Hanser).  

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