POLITIK I Baerbock und China

Wie tickt Annalena Baerbock außenpolitisch? Das will man schon gerne von einer möglichen künftigen Kanzlerin wissen. Bislang war sie in diesem Politikbereich ein relativ unbeschriebenes Blatt. Nun wird es sukzessive mit Inhalt gefüllt. Zuerst war ihr Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 25. April. Da skizzierte Baerbock ihre außenpolitischen Leitlinien. Da sieht sie einen „Wettstreit der Systeme: autoritäre Kräfte versus liberale Demokratien“ und fordert eine Politik von „Dialog und Härte“ gegenüber China. Später konkretisiert sie in zwei längeren Gesprächen ihre außenpolitischen Gedanken und Vorstellungen. Erst stand bzw. saß sie im Sicherheitspolitischen Gespräch dem Präsidenten der BAKS (Bundesakademie für Sicherheitspolitik) Ekkehard Brose fast eine Stunde Rede und Antwort. Dann stellte sie sich einem Dialog mit dem CNN-Moderator Fareed Zakaria bei einer Veranstaltung des Atlantic Council.

    Im Gespräch mit Ekkehard Brose bekennt sie gleich zu Beginn, Außenpolitik sei eine tiefe Leidenschaft von ihr. Dann übt sie Kritik an der bisherigen deutschen bzw. europäischen Außenpolitik, die in den vergangenen Jahren nur reagiert habe. „Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu betreiben.“ Europa müsse bereit sein, mit den Amerikanern Verantwortung in der Welt zu übernehmen, aber auf Augenhöhe. Die EU müsse eine stärkere strategische Souveränität entwickeln. Das sei aber nicht mit – der von Emmanuel Macron geforderten – strategischen Autonomie Europas zu verwechseln. Es folgt ein Bekenntnis zur Nato: „Sie ist für uns zentraler Akteur in den nächsten Jahren.“ Dann – nach einer halben Stunde – kam Brose auf das Thema China zu sprechen. Allgemeinplatz: „Wir dürfen gegenüber China nicht naiv sein.“ China würde mit Impfstoffen Abhängigkeiten schaffen. Europa müsse wachsam sein bei chinesischen Investitionen in Infrastruktur: „Da müssen wir uns schützen.“ Das Investitionsabkommen CAI sei nur für einzelne Akteure wie die Autoindustrie hilfreich, aber nicht für den Mittelstand und biete keine Reziprozität. Die Wirtschaft solle mit China Geschäfte machen, aber bitte nicht zu viel: „Wir können uns nicht von China komplett abschotten.“ Sie versucht den Spagat zwischen Werten und Wirtschaft, ist aber in dubio für eine werteorientierte Außenpolitik. In diesem Zusammenhang stellte Brose eine interessante, vielleicht sogar die zentrale Frage: „Was darf uns die werteorientierte Außenpolitik volkswirtschaftlich kosten?“ Ihre Antwort: „Das Gegenteil wäre noch teurer.“ Sorry, das habe ich nicht verstanden.

Im kürzeren Gespräch mit Fareed Zakaria wiederholte Baerbock vieles aus dem Gespräch mit Brose, nur diesmal in Englisch, das sie sehr gut beherrscht. Transatlantisches spielte dabei eine wichtige Rolle. Es fallen Sätze wie: „We believe in a strong transatlantic relation based on Nato.“ Was das Verhältnis zu den USA anbetrifft spricht sie von “incredible possibility to work together on future projects.” Zu China stellt Zakaria nur eine Frage: „Will you be tougher than Merkel?“ Baerbock antwortet sehr allgemein vom „balancing our values with economic interests.“

Wie dieser Balanceakt aussehen wird, ist noch offen. Ebenso offen ist, wer bei den Grünen die Außenpolitik in welcher Position vertreten wird. Sollte es eine grün-schwarze Koalition geben, ist klar: Baerbock wird Kanzlerin und hat damit Richtlinienkompetenz. Sollte es schwarz-grün werden, ist die Frage, ob die Grünen das Außenministerium, das traditionell dem Juniorpartner zusteht, überhaupt wollen. Weder Baerbock noch Robert Habeck scheinen Ambitionen zu haben. Baerbock schwebt ein Super-Ministerium zum Thema Umwelt vor, Habeck liebäugelt mit dem Finanzministerium. Es stehen spannende Monate bei den Grünen bevor – personell wie inhaltlich.

Info:

Baerbock im sicherheitspolitischen Gespräch an der BAKS (China-Teil ab Minute 30:45) https://www.baks.bund.de/de/aktuelles/dfs2021-sicherheitspolitisches-gespraech-im-livestream

Baerbock im Gespräch mit Fareed Zakaria beim Atlantic Council (China-Passage ab Minute 21:45): https://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/annalena-baerbocks-message-to-america-shes-in-sync-with-biden/

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