GESELLSCHAFT I Volkszählung

Alle zehn Jahre zählt China durch. 2020 war es wieder soweit. Im letzten Quartal des Jahres klopften die Volkszähler an die Tür und machten anschließend eine Bestandsaufnahme. Ergebnis: 1,411 Milliarden Menschen leben in China.  Das waren 5,4 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Offenbar war der Führung in Beijing wichtig, dass China auch bei der Bevölkerung wächst und über die 1,4 Milliarden-Grenze kommt. Angeblich – so vermeldete die Financial Times – sei man beim Auswerten unter dieser Grenze geblieben und hätte deshalb kreativ nachgebessert. Alles Lüge, kontert das National Bureau of Statistics (NBS), das Umfrage und Auswertung leitete.

Geschlechter: 723 Millionen sind männlich, 688 Millionen weiblich. Das ergibt ein Geschlechterverhältnis von 105 Prozent. Es blieb in den vergangenen Jahren mehr oder weniger konstant.

Regional: Im prosperierenden Osten stieg die Bevölkerung stark, im Westen leicht. In der Mitte und insbesondere im Nordosten gingen die Zahlen zurück. Die beiden Provinzen Guangdong und Shandong sind die größten mit jeweils über 100 Millionen Einwohnern. Shanghai ist die größte Stadt mit 24,87 Millionen.

Bildung: 218 Millionen haben einen Universitätsabschluss. Die Analphabetenrate wurde nochmals gesenkt. Sie fiel in den vergangenen zehn Jahren von 4,08 auf aktuell 2,67 Prozent.

Stadt-Land: Die Urbanisierung schreitet weiter voran. 902 Millionen leben inzwischen in Städten, 510 Millionen auf dem Land. Das ergibt eine Urbanisierungsrate von knapp 64 Prozent.

Haushalte: Die Zahl der Personen, die gemeinsam in einem Haushalt leben, ging weiter zurück. Sie beträgt jetzt 2,62 Personen. Die traditionelle Familienstruktur (drei Generationen unter einem Dach) löst sich also weiter auf. 

Ethnien: 1,286 Milliarden sind Han-Chinesen. Sie machen 91,1 Prozent der Bevölkerung aus. Der Ausländeranteil ist relativ gering. Gerade mal 845 697 Ausländer leben in dem Land.

Altersstruktur: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt 38 Jahre. 264 Millionen sind über 60 Jahre alt. Das sind knapp 19 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der alten Menschen ist in den vergangenen zehn Jahren erneut gestiegen.

Letztere Entwicklung – die Überalterung oder Vergreisung Chinas – war auch das Ergebnis der Volkszählung, das am meisten diskutiert wurde: immer mehr Alte, immer weniger Kinder. Die Geburtenrate liegt inzwischen bei 1,3 (ein geringer Wert ist übrigens ein ostasiatisches Problem: In Japan beträgt sie 1,37 und in Südkorea gar unter Eins). Seit 2016 nimmt die Zahl der Geburten in China ab. Im vergangenen Jahr wurden gerade mal 12 Millionen Kinder geboren. Eine zentrale Ursache: immer weniger Ehen. Die Zahl ging von 13,47 Millionen (2013) auf 8,13 Millionen (2020) zurück. Und die Verheirateten wollen immer weniger Kinder, weil diese zu viel kosten. Stellvertretend sei hier Zhang Jie (31) aus Guangzhou in der South China Morning Post zitiert: „For the working class it is simply becoming more and more unaffordable to raise a child in urban citites.” Aber wie die Geburtenrate steigern? Eine Aufhebung der restriktiven Familienpolitik wird das Problem alleine nicht lösen. Das im Oktober 2015 beschlossene Ende der Ein-Kind-Politik hat nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt. Der Thinktank der Zentralbank fordert deshalb neben der völligen Deregulierung der Geburtenkontrolle staatliche Unterstützung für Familien. Liang Jianzhang, Wirtschaftsprofessor an der Guanghua School of Management an der Peking Universität (Beida) will das auch und nennt sogar eine konkrete Zahl: 1 Millionen Yuan (knapp 128 000 Euro) soll der Staat den Eltern für jedes Kind geben. Das ist ein stattlicher Betrag, aber – so Liang – die Folgekosten einer Überalterung seien höher. Da kommen noch spannende Diskussionen auf China zu – bis zur nächsten Volkszählung im Jahre 2030.

Info:

Die wichtigsten Daten der Volksbefragung kann man hier nachlesen: http://www.stats.gov.cn/english/PressRelease/202105/t20210510_1817185.html?utm_source=CSIS+All&utm_campaign=cb6d8c43a1-EMAIL_CAMPAIGN_2020_01_28_03_14_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_f326fc46b6-cb6d8c43a1-160735061

Zum Thema Überalterung gibt es bei China File eine interessante Diskussion:

https://www.chinafile.com/conversation/what-should-china-do-about-its-aging-population

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