Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Wir brauchen eine China-Strategie“ tönt es überall: in den deutschen Parteien, rund um das Berlaymont in Brüssel und um das Weiße Haus in Washington. Strategie hört sich immer gut an. Das klingt nach einem Plan, mit dem man sich Schritt für Schritt zu einem Ziel vortastet. Deshalb muss zu Beginn jeder Strategiediskussion das Ziel klar sein. Wenn man das kennt, kann man den Weg (oder auch verschiedene Wege) dorthin definieren. Doch weder in Berlin, Brüssel oder Washington denkt man vom Ende her. Man betreibt gegenüber China eine Sanktionspolitik ohne zu wissen, wohin diese führen soll. US-Präsident Joe Biden sagte kürzlich vor dem Congress: “We’re in a competition with China… to win the 21st Century.” Aber wann ist China besiegt? Wenn es – wünschenswert, aber utopisch – die Demokratie eingeführt hat? Oder wenn es – nicht wünschenswert – durch einen Krieg in Schutt und Asche liegt? Beides wird nicht eintreten. Wir sollten uns verabschieden von dem Glauben, China ändern zu können. Das sagt auch Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer, im folgenden Interview. Das Prinzip Wandel durch Sanktionen hat nicht einmal wirtschaftlich so schwache Nationen wie Kuba oder Nordkorea verändert, geschweige denn, dass ein immer stärker werdendes China dadurch in die Knie gezwungen wird. Wer etwas anderes glaubt ist naiv, Herr Röttgen! Statt immer nur auf das ach so böse China zu schielen, sollten wir vielleicht erst einmal die Hausaufgaben hierzulande machen. Da gäbe es viel zu tun. Erinnert sich noch jemand an die Lissabon-Strategie vom März 2000?  Dort haben die EU-Regierungschefs das Ziel definiert, Europa bis zum Jahr 2010 (!) „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Wir schreiben – wie allseits bekannt – inzwischen das Jahr 2021.

Wolfgang Hirn

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