CHINAHIRNfragt… Friederike Bosse, Japan-Expertin

Friederike Bosse studierte in Hamburg Japanologie. Von 1993 bis 2001 war sie am Institut für Asienkunde für Japans Wirtschaft zuständig. Anschließend leitete sie den Japan-Desk beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Im Sommer 2006 wurde sie Generalsekretärin des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (JDZB). Im Sommer 2018 schied sie dort aus. Derzeit ist sie Beraterin und Coach mit Sitz in Berlin.

Wie beurteilen Sie das Treffen von Joe Biden und Yoshihide Suga?

Biden und Suga wollten in erster Linie Gemeinsamkeit demonstrieren – vor allem gegen China. Dabei hatten die beiden durchaus unterschiedliche Motive für dieses Treffen. Suga ging es auch um Symbolkraft nach innen. Er ist in Japan nicht so populär und außenpolitisch traut man ihm nicht viel zu. So kann er stolz sagen: Ich war der erste bei Biden. Für Biden war hingegen die außenpolitische Symbolik entscheidend. Er wollte ein klares Zeichen an China senden: Wir haben einen Partner gegen eure hegemonistischen Bestrebungen. 

Gab es denn neben dieser Symbolik substantielle Ergebnisse des Treffens?

Für Japan war ganz wichtig, dass der amerikanische Beistand für die umstrittenen Senkaku-Inseln weiterhin gilt. Die Japaner wollen diese Unterstützung stets von einem neuen US-Präsidenten bestätigt haben. Und Biden hat ihnen den Gefallen getan, indem er sich zum Artikel 5 des Beistandspaktes bekannte, der auch für die Senkaku-Inseln gelte. Doch neben diesem sicherheitspolitischen Aspekt war noch ein weiterer Punkt sehr interessant, und zwar die angestrebte Kooperation im technologischen Bereich. Zum Beispiel bei 5G oder auch bei den Chips wollen die beiden Länder kooperieren. Das Ziel ist klar: Sie wollen beide technologisch unabhängiger werden von China. 

Macht denn Japan den harten Kurs der Amerikaner gegenüber China mit?

Japans Politik ist nicht so demonstrativ gegen China aufgestellt. Konfrontation ist nicht die japanische Art. Die Japaner bevorzugen informelle Kontakte ohne allzu großes öffentliches Aufsehen. So macht Japan die Sanktionspolitik, die die EU, Großbritannien und Kanada kürzlich gegenüber China beschlossen haben, nicht mit.

Aber Japan will mehr europäisches Engagement in der Region. Was erwartet Japan von Europa?

Die Japaner versuchen schon seit Jahren für ein stärkeres politisches und militärisches Engagement der Europäer in Asien zu werben. Meist stießen sie auf Zurückhaltung: Das ist so weit weg. Doch in den vergangenen zwei, drei Jahren hat sich in der EU ein Strategiewandel vollzogen. Auch in Deutschland. Siehe die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung vom Herbst 2020. Das kommt den Japanern entgegen. Darüber sind sie froh. Auch die Ankündigung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, im Sommer eine Fregatte in den West-Pazifik zu schicken, wurde positiv aufgenommen. Das ist ein Symbol in die ganze Region hinein – und gegenüber China.

Gerade gab es ja die ersten 2+2-Gespräche zwischen Deutschland und Japan. Ihre Einschätzung?

Dieses Gesprächsformat zeigt, dass beide Seiten dem Austausch hohe Bedeutung beimessen. Möglich wurden diese Gespräche jetzt aufgrund der aggressiven chinesischen Politik und der Orientierung der deutschen Außenpolitik Richtung Indo-Pazifik. Davor gab es schon im März 2020 das Geheimschutzabkommen zwischen Deutschland und Japan, in dem ein enger Austausch zwischen den Geheimdiensten vereinbart wurde. Der Trend ist klar: Die deutsch-japanischen Beziehungen werden enger.

Könnten sie auch gemeinsame Sache gegenüber China machen?

Beide Staaten stecken gegenüber China im gleichen Dilemma. Beide Länder haben starke wirtschaftliche Interessen in China. China ist für Japan größter Handelspartner. Bei uns konkurrieren die politischen Werte mit den wirtschaftlichen Interessen, bei den Japanern sind es die sicherheitspolitischen Gefahren. Dies auszutarieren, ist sowohl für Deutschland als auch Japan schwierig. Beide hoffen, dass sie Politik und Wirtschaft trennen können. Das wird aber auf Dauer nicht gehen.


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