GESELLSCHAFT I Gestresste Kinder

Chinas Einzelkinder sind im Stress. Ihre Tage sind durchgetaktet wie bei manchem Manager. Selbst am Wochenende haben sie nicht frei. Auf ihrem Terminplan stehen Englischkurse, Ballett- und Klavierunterricht, Mathematik-Nachhilfe – und das alles neben dem regulären, eh schon fordernden Unterricht. Die Kinder investieren viel Zeit, die Eltern viel Geld. Es gilt die Gleichung: Gute Noten, gute Uni, guter Job, gutes Gehalt, das ausreicht, um auch die Eltern im Alter zu unterstützen. Das Kind als Lebensversicherung. Das ist der Generationenvertrag auf Chinesisch.

Kürzlich machte die staatliche Zeitschrift China Education Paper eine Umfrage unter 4000 Eltern.  Ergebnis: 92 Prozent bestätigten, dass ihre Kinder außerschulischen Unterricht haben. Mehr als die Hälfte der Eltern gab an, dass sie dafür mehr als 10 000 Yuan im Jahr ausgeben. In den vergangenen Jahren hat sich eine private Lernindustrie entwickelt. Die TAL Education Group – einer der Marktführer – bietet zum Beispiel in 600 Lernzentren in 50 Städten allerlei Kurse an – vom Vorschüler bis zum Abiturienten. Die EdTech (Education Technology)-Sparte boomt. Die großen Internetkonzerne steigen in das Business ein. Es gibt inzwischen eine Flut von Online-Kursen für junge Chinesen, die fast gar keine Freizeit mehr haben und dadurch physische und mentale Probleme bekommen.

Inzwischen ist diese Gefahr erkannt. Beim jüngsten Nationalen Volkskongress war der Lernstress der chinesischen Schüler ein Thema. Sogar Xi Jinping sprach dort von einem „sozialen Problem“. Aber wie das Problem lösen? Manche Delegierte schlugen ein Verbot der privaten Lernindustrie vor. Aber dazu wird es wohl nicht kommen. Das Bildungsministerium begnügte sich Anfang April mit Ratschlägen an Eltern und Schulen. So sollen Eltern ihren Kindern genügend Schlaf ermöglichen: für Grundschüler zehn, für Mittelschüler neun und für Oberschüler acht Stunden. Spätestens um 21.20 Uhr sollen Grundschüler ins Bett gehen, Mittelschüler um 22 Uhr und Oberschüler um 23 Uhr. Diese Regeln werden allerdings schwer zu kontrollieren sein. Etwas einfacher sind aber die Vorschriften einzuhalten, die den außerschulischen Unterricht betreffen. Der darf nach 20.30 Uhr nicht mehr angeboten werden. Online-Kurse nach 21 Uhr sind ebenso tabu. Und nach 22 Uhr gibt es keine Videospiele mehr. Gute Nacht!

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