Man nennt ihn den chinesischen Elon Musk. Aber nicht, weil er so eine große Klappe wie der amerikanische Tesla-Gründer hat, sondern weil er genauso große Ambitionen mit seinem Unternehmen NIO hat wie Musk mit Tesla. William Li (46) will mit seinen Elektroautos China und die Welt erobern. Derzeit ist er in China einer der engsten Verfolger von Tesla, das ja in Shanghai eine Giga-Factory hat. Global will NIO in den Jahren 2023/24 angreifen.
Li wuchs in sehr ärmlichen Verhältnissen in der Provinz Anhui auf. Sein Vater arbeitete in einer Kohlemine, seine Mutter in einer Textilfabrik. Er wuchs bei seinem Großvater auf. Als Li sieben Jahre alt war, fingen seine Eltern an zu sparen, um ihrem Sohn eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Er schaffte es auf die Peking Universität (Beida), studierte dort Soziologie und nebenbei noch Jura und Computerwissenschaften. Er war ehrgeizig und strebsam. 17 Prüfungen in einer Woche soll er geschafft haben, so die Legende.
Früh machte er sich selbständig. Der erste Coup gelang ihm 2000, als er BitAuto gründetet, eine Online-Plattform für Autoenthusiasten. Zehn Jahre später brachte er das Unternehmen an die New Yorker Börse. 2013 verkaufte er es und wurde zum Milliardär. Zwischendurch investierte er immer wieder in andere Firmen. An über 40 Unternehmen in der Auto- und IT-Branche soll der Serien-Entrepreneur beteiligt sein. Heute wird sein Vermögen auf knapp acht Milliarden Dollar taxiert. Trotzdem gilt er als bescheiden. Er hat keinen Privatjet, zu Terminen in China fährt er meist mit dem Zug. Auch ungewöhnlich: „I do not own any properties.“ Er wohnt mit seiner Frau Wang Yizhi, einer bekannten Anchorwoman beim Staatssender CCTV, und den beiden Kindern zur Miete.
Der große Durchbruch kam im November 2014, als er NIO gründete. Seine Investoren sind allerbeste Adressen: die Internet-Konzerne Baidu, JD.com und Tencent, der Computerhersteller Lenovo, der Elektonikgigant Xiaomi, der singapurianische Staatsfonds Temasek sowie die Investmentfirmen Sequoia Capital und TPG. Li hat ein großes Netzwerk und kann wohl überzeugend argumentieren. JD.com-Gründer Liu Qiangdong soll er innerhalb von 15 Minuten zu einem Investment überredet haben. Über zwei Milliarden Dollar sammelte er bei den Investoren ein. Fast die gleiche Summe spülte der Börsengang im September 2018 in die Kassen. Ein sichtlich stolzer Li durfte damals die berühmte Opening Bell an der Wall Street drücken. NIO nennt sich selbst ein Global Start-Up. Die Design-Abteilung sitzt in München, die Softwareentwickler sind im Silicon Valley, das Headquarter ist in Shanghai, produziert wird in Hefei bei JAC. Zwei SUVs – ES 6 und ES 8 – hat NIO derzeit im Angebot.
2019 hatte NIO finanzielle Probleme. Li musste seine Pläne aufgeben, in Shanghai eine Fabrik zu bauen, obwohl er die Genehmigung der Behörden hatte und bereits eine Press-Strasse bestellt war. Ironie des Schicksals: Die Straße verkaufte er an den Konkurrenten Tesla, der dadurch seine Giga Factory in Shanghai schneller hochziehen konnte. Li: „Es ist, wie wenn man an einen Konkurrenten Waffen verkauft.“
Aber der Deal rettete NIO. Als dann auch noch Investoren eine Milliarde Dollar zugeschossen hatten, ging es bei NIO wieder aufwärts. Vor allem an der Börse. Der Kurs stieg im vergangenen Jahr um über 1000 Prozent. Die Marktkapitalisierung erreichte 60 Milliarden Dollar. Im vierten Quartal 2020 erzielte NIO mit 17 353 verkauften Autos sein bisher bestes Ergebnis. In diesem Jahr sank der Kurs allerdings. Soeben musste NIO in seiner Fabrik die Produktion stoppen. Wie auch bei anderen Herstellern stockt die Lieferung von Chips.
Info:
Sehen Sie hier den Auftritt von William Li beim NIO Day Anfang Januar 2021 in Chengdu, wo er unter anderem die Limousine ET7 vorstellte: https://www.youtube.com/watch?v=KgcRKGxwUwM