POLITIK I EU-China

Überraschend war das alles nicht, was da am Montag dieser Woche erst in Brüssel und kurz danach in Beijing verkündet wurde. Schon eine Woche zuvor hatten nämlich die Ständigen Vertreter der 27 Mitgliedstaaten einstimmig eine Sanktionsliste mit vier chinesischen Funktionären und einer Organisation verabschiedet, die für die massenhafte Unterdrückung der Uiguren verantwortlich sein sollen. Am Montag wurde diese Liste dann von den EU-Außenministern offiziell abgesegnet. Zum ersten Mal seit 1989 – seit dem Tiananmen-Massaker – hat die EU damit wieder Sanktionen gegen China verhängt.

Die chinesische Regierung reagierte prompt, schließlich hatte sie das ja bereits angekündigt. Kaum eine Stunde später kam sie mit ihrer Sanktionsliste, die um einiges länger war, sie umfasst zehn Personen und vier Organisationen. Unter den Personen finden sich acht Parlamentarier sowie zwei Wissenschaftler. Unter den sanktionierten Abgeordneten sind die deutschen Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer (Die Grünen) und Michael Gahler (CDU). Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des EP, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der schärfsten China-Kritiker entwickelt. Er bezeichnet die Sanktionen gegen sich als „genauso frech wie lächerlich.“ Gahler ist außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Öffentlich ist er bislang nicht besonders aufgefallen. Er vermutet, „dass mein Vorsitz der Taiwan-Freundschaftsgruppen in den europäischen Parlamenten eine gewisse Rolle bei der Entscheidung in Peking gespielt hat.” Unter den beiden Wissenschaftlern auf der Liste ist der Deutsche Adrian Zenz, der aber in Minnesota lebt. Aus dem Arbeitszimmer seines Reihenhauses – so schreibt die Süddeutsche Zeitung – „durchforstet er das chinesische Internet nach Regierungsdokumenten, Propagandameldungen, statistischen Jahrbüchern, Protokollen.“ Daraus produziert Zenz die Berichte über die Unterdrückung der Uiguren, die fast alle Journalisten weltweit verbreiten und die Politiker im Westen zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Chinas Regierung bezeichnet Zenz als Lügner und Rechtsradikalen. Zenz ist jedenfalls eine umstrittene Person mit streng evangelikalem Hintergrund, den die investigativen Journalisten gerne ausblenden. Gegenüber ”The Wall  Street Journal” nannte er als Motiv für seine Uiguren-Mission: „I feel very clearly led by God to do this.”

Unter den sanktionierten Institutionen ist neben dem politisch bedeutenden Political and Security Committee des EU-Ministerrats (ihm gehören die 27 EU-Botschafter der Mitgliedsländer an) auch der deutsche Thinktank Merics (Mercator Institute for China Studies) in Berlin. Dieses Institut ist wegen seiner vermeintlich kritischen Berichte und Kommentare den Chinesen schon länger ein Dorn im Auge (siehe nachfolgendes CHINAHIRNLexikon). Einige Mitarbeiter haben schon bislang keine Visa mehr bekommen.

Das gilt eigentlich für alle Personen auf den Sanktionslisten der Europäer und Chinesen. Die meisten von ihnen hätten sowieso kein Visum bekommen oder haben gar nicht beabsichtigt, nach China bzw. in die EU zu reisen. Insofern sind diese Listen reine Symbolpolitik.

Wie geht es aber nun weiter mit den europäisch-chinesischen Beziehungen? Zunächst gab es die üblichen diplomatischen Spielchen: Man bestellte gegenseitig die Botschafter ein. Aber es ist durchaus realistisch, dass sich die Sanktionsspirale weiterdreht und sich die Beziehungen weiter verschlechtern. Manche EP-Abgeordnete fordern schon die nächste Sanktionsliste, diesmal gegen Verantwortliche in Hongkong, darunter auch Regierungschefin Carrie Lam. Vielleicht sollten die Anhänger der Sanktionspolitik einfach mal studieren, was eine solche Politik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gebracht hat: nämlich wenig bis gar nichts. Deshalb zitiere ich gerne aus dem Kommentar von Nikolas Busse aus der FAZ vom 23. März: „Die Sanktionen von 1989, die sogar ein Waffenembargo einschlossen, haben weder zu einer politischen Öffnung Chinas geführt noch die massive Aufrüstung des Landes verhindert.“

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