Heute komme ich etwas verspätet, halte also meinen fast schon gewohnten Zwei-Wochen-Rhythmus nicht ganz ein. Grund sind die rund 3000 Herren und Damen, die bis heute 16 Uhr Ortszeit in der Großen Halle des Volkes in Beijing getagt haben. In den ersten März-Tagen trifft sich in Beijing traditionell der Nationale Volkskongress (NVK), der im Westen als Scheinparlament oder „rubber stamp“ (Stempelstelle) tituliert wird. Natürlich ist der NVK mit den Parlamenten in den Demokratien nicht vergleichbar. Trotzdem fallen in der Großen Halle wichtige Entscheidungen, die fast alle Bereiche der Politik umfassen. Ich wollte deshalb die Reden und Beschlüsse abwarten, um sie noch in diese Ausgabe zu packen. In seiner Rede zu Beginn hat Ministerpräsident Li Keqiang übrigens 23mal das Wort „Technologie“ benutzt. Es war gar kein versteckter Hinweis, in welche Richtung China in den nächsten Jahren (weiter)marschieren wird. China will zur Technologiemacht aufsteigen. Eine Digitalmacht ist es schon. Dass China dieses Ziel anstrebt, kann man dem Land schwerlich vorwerfen. Eher kann man unseren Politikern im Westen den Vorwurf machen, dass sie bei der Digitalisierung so behäbig vorgehen. Ob man ein Land konsequent digitalisiert, ist keine Frage des Systems, sondern des Willens und Wollens. Und beides fehlte in den vergangenen Jahren hierzulande.
Wolfgang Hirn