POLITIK I Impfdiplomatie

Der türkische Präsident Erdoğan hat es getan, Indonesiens Staatschef Widodo und Jordaniens König Abdullah – sie und viele andere mehr oder weniger prominente Zeitgenossen ließen sich kürzlich impfen, aber nicht mit Stoff von AstraZeneca oder BioNTech/Pfizer, sondern von Sinovac oder Sinopharm. Das sind die beiden Impfstoffe, die in China zugelassen wurden und nun rund um die Welt verschenkt oder verkauft werden. „Impfdiplomatie“ nennen die westlichen Staaten diese Aktivitäten und kritisieren, dass sich China damit Einfluss erkaufe. Einen ähnlichen Vorwurf gegenüber China gab es schon zehn Monaten zuvor, als das Schimpfwort „Maskendiplomatie“ kreiert wurde. China wehrt und verteidigt sich. Außenminister Wang Yi spricht vor dem UN-Sicherheitsrat von „vaccine nationalism“ der westlichen

Staaten, die den Impfstoff horten würden.  Ähnlich argumentiert UN-Generalsekretär António Guterres, der von einer „wildly uneven and unfair distribution“ spricht. Zehn Nationen würden 75 Prozent aller Impfstoffe besitzen. Während die westlichen Staaten noch diskutieren, wie das multilaterale – von der WHO initiierte – Hilfsprogramm Covax ausgestaltet werden soll, handelt China. In 22 Länder wurden bereits chinesische Impfstoffe exportiert: nach Afrika, Südostasien, Lateinamerika, den Nahen Osten, aber auch nach Osteuropa, vor allem nach Serbien und Ungarn. Häufig eilten die lokalen Politiker zum Flughafen, um die Dosen in Empfang zu nehmen – ob in Harare, der Hauptstadt Zimbabwes, oder in Belgrad. Dort kritisierte der serbische Präsident Aleksandar Vučić „the rich and the richest only save themselves, and their loved ones.” Während die Europäer und Amerikaner zuerst an sich denken, gibt sich China großzügiger. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gab vor dem Atlantic Council zu, dass das ein bisschen beschämend für uns sei. Freilich handelt China nicht allein aus humanitären Motiven. Huang Yanzhong vom amerikanischen Council on Foreign Relations sagt: “Certainly, this would improve China´s image and project of soft power in those countries.” Allerdings steht China zunehmend im Wettbewerb bei der Impfstoffverteilung mit Ländern, die ähnliche Motive haben. Lawrence Gostin von der Georgetown University in Washington sagt: „Now three countries aggressively are distributing their vaccins globally: China, Russia and India.” Russland bietet seinen Impfstoff Sputnik V an. Indien produziert im Serum Institute of India (SII) den Impfstoff von AstraZeneca in Lizenz und nennt ihn Covishield. Wir sollten diesen drei Staaten dankbar sein, dass sie – aus welchen Motiven auch immer – Impfstoffe in Ländern liefern, die vom Westen im Stich gelassen werden. Nur durch die Predigten westlicher Moralapostel werden die Menschen dort nicht immun.

Info:

Hier der Hinweis auf zwei interessante Beiträge, die Chinas „Impfdiplomatie“ nicht nur unter dem simplen geostrategischen Blickwinkel betrachten. Der eine stammt von Jacob Mardell (Merics): 

https://supchina.com/2021/02/18/the-meaning-of-chinas-vaccine-diplomacy/ Den anderen Beitrag hat der ehemalige Merics-Mitarbeiter Moritz Rudolf geschrieben, der inzwischen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (swp) ist:

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2021A05_ChinasGesundheitsdiplomatie.pdf

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