CHINAHIRNfragt…Timo Boll, Weltklasse-Tischtennisprofi

Timo Boll (39) ist Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler. Er war Vizeweltmeister, Europameister, Zweiter bei Olympischen Spielen und zweimal an der Spitze der Weltrangliste. Er hat fast alle chinesischen Spitzenspieler geschlagen, was ihm in China hohen Respekt einbrachte. Über 100mal war er inzwischen in China, spielte dort sogar in der Superliga. In der Bundesliga tritt er für Borussia Düsseldorf an, wohnt aber mit Frau Deli und Tochter Zoey in seiner Heimat im Odenwald. Dort erreichte ich ihn am Telefon nach einer abenteuerlichen nächtlichen Bahnfahrt durch das Schneechaos von Düsseldorf nachhause.

1996 waren Sie zum ersten Mal in China. Wie oft sind Sie inzwischen dort gewesen?

Ich führe keine Liste und habe meine Reisen nach China nicht gezählt. Aber ich war oft zu Turnieren und zum Trainieren dort. Außerdem spielte ich mehrmals für verschiedene Vereine in der chinesischen Superliga. Im Schnitt war ich sechs-, siebenmal im Jahr in China. Damit komme ich sicher auf über 100 Reisen nach China. Darunter ganz kurze, etwa für Sponsorenauftritte – morgens ankommen, abends wieder zurück – , aber auch längere Aufenthalte über drei Monate.

Hat sich Ihr Bild über China während dieser Zeit verändert?

Das hat sich natürlich verändert. Als ich 1996 zum ersten Mal in China war, war es für mich eine komplett neue und fremde Welt. Diese Menschenmassen waren beeindruckend für jemanden, der aus einem kleinen Dorf kommt. Vieles war für mich gewöhnungsbedürftig. Aber im Laufe der Jahre hat sich das Land extrem entwickelt. Und ich habe mich auch an die Kultur gewöhnt und viele Menschen dort kennengelernt. Dadurch habe ich ein ganz anderes Bild als das, das durch die Medien hierzulande rüberkommt. Ich sehe vor allem die Menschen, ihre Charaktere und ihre Entwicklung. Wie sich Land und Leute in dieser kurzen Zeit entwickelt haben, ist schon enorm.

Was schätzen Sie an China und seinen Menschen?

Vor allem diese Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Auf den Ausländer wird nicht herabgesehen. Und dann dieser Leistungsgedanke. Wenn beim Tischtennis ein kleines Kind talentiert ist, opfert die Familie oft ihr ganzes Hab und Gut, um ihm die Chance des sportlichen Aufstiegs zu ermöglichen. Ähnliches passiert auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Bildung. Da wird sehr viel investiert.

Gibt es auch etwas, was sie an China stört?

Ich bin ja nicht der große Feiertyp. Aber in China geht man ja sehr viel aus mit Freunden. Man soll den und den kennenlernen, mal dort Hallo sagen. Meist enden solche Treffen immer in einer größeren Runde. Und dann wird Alkohol getrunken und das nicht zu knapp. Ich trinke aber gar keinen Alkohol. Inzwischen wird das akzeptiert, wenn ich sage, dass ich keinen Alkohol trinke.

Aber beim Chinesischen Essen sind Sie nicht so zurückhaltend?

Ich habe in China gelernt, vielseitiger und gesünder zu essen. Ich habe mal eine Zeitlang vegan gelebt. Damit habe ich in Deutschland angefangen und dann in China zweieinhalb Monate weitergemacht. Dort kam mir entgegen, dass das Gemüse sehr gut schmeckt und oft toll zubereitet ist.

Also keine geliebte Peking-Ente mehr?

Doch, doch. Peking Ente esse ich immer noch sehr, sehr gerne. Ich bin auch kein Veganer mehr. In Düsseldorf gibt es zwei gute Lokale mit einer sehr guten Peking-Ente. Solange sie noch geöffnet hatten, war ich dort öfter, zumal ich ja derzeit nicht nach China reisen kann.

Wenn Sie aber nach China reisen, werden Sie sofort erkannt und umlagert – mehr als in Ihrem Heimatland Deutschland…

…mittlerweile werde ich auch öfter in Deutschland erkannt. Aber in China ist es natürlich etwas anderes. Dort ist Tischtennis Volkssport und entsprechend eine große Mediensportart. Ich bin schon über einen so langen Zeitraum der Hauptkonkurrent der Chinesen. Deshalb kennt man dort inzwischen Bor, wie ich dort genannt werde. Ich habe dort einen guten Ruf und eine große Fan-Basis.

Es soll sogar eine weibliche Fan-Gruppe geben…

Ja, es gibt ein paar Mädels, die große Fans von mir sind und weltweit hinter mir herreisen. Oft finden sie heraus, wann ich lande. Keine Ahnung, wie sie das schaffen. Dann stehen sie oft schon mit einem Kaffee da, da ich ja gerne Kaffee trinke. Und sie machen mir immer irgendwelche Geschenke. Das ist schon echt verrückt, was die auch an Geld für diese Reisen ausgeben.

Diese werden Sie sicher auch in Tokio bei den Olympischen Spielen empfangen. Wie sehen Sie dort ihre Chancen?

Wenn ich nach Tokio fahre, will ich natürlich Medaillen gewinnen. Ich bin froh, weiterhin auf allerhöchstem Level spielen zu können. Top-Ten-Niveau ist immer noch mein Anspruch. Es macht mir immer noch sehr, sehr viel Spaß. Ich versuche deshalb den Zeitpunkt des Aufhörens möglichst weit nach hinten zu verschieben. Aber es kann zum Beispiel im Falle einer Verletzung auch ganz schnell gehen. Ich werde aber auf jeden Fall nach meiner Karriere mal tief in mich gehen und einige Dinge austesten.

Vielleicht ja etwas mit China?

Ich habe in diesen 25 Jahren viel gute Erfahrungen in und mit China gesammelt. Ich bin und war Markenbotschafter für einige deutsche Firmen in China. Aktuell bin ich es für den Roboterhersteller Kuka. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, irgendwann mal ein Netzwerker zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen zu sein. Denn oft fehlt es an gegenseitigem Vertrauen. Wenn man da jemand dazwischen hat, der beide Welten ganz gut kennt, und der auch vertrauenswürdig ist, dann wäre das eine gute Basis.

Chinesisch wäre für einen solchen Job ein gutes Asset. Wie steht es damit?

Ich habe ein dreiviertel Jahr am Konfuzius-Institut in Düsseldorf Chinesisch gelernt. Es war gar keine Qual, es hat sogar Spaß gemacht. Dann kamen die Olympischen Spiele in London, und ich wollte mich nur auf den Sport konzentrieren. Vor mehr als einem Jahr wollte ich wieder anfangen mit Chinesisch, hatte mir schon einen Lehrer gesucht, dann kam Corona. Wenn alles wieder normaler läuft, habe ich mir fest vorgenommen, wieder zu starten. Chinesisch lernen ist sehr sinnvoll für mich. Ich habe viele Chinesen in meinem Umfeld. Ich versuche da Chinesisch zu reden. Man muss sich einfach trauen, auch wenn sie einen auslachen.

Info:

Das Buch Timo Boll: Mein China, geschriebenvon Friedhard Teuffel,, erschien 2018 in einer Neuauflage bei Schwarzkopf & Schwarzkopf, hat 344 Seiten und kostet 14,99 Euro. Wer lieber sieht statt liest, dem empfehle ich den Doku-Film The Spin of Live, ein 90minütiges Porträt über Timo Boll. Es kann hier gesehen werden: https://www.kuka.com/timo

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