POLITIK I Abkommen EU-China

Nur ein paar wenige haben bislang den Text des Investitionsabkommens zwischen EU und China (Comprehensive Agreement on Investments; kurz CAI) gesehen. Aber viele haben eine Meinung zu dem einen Tag vor Silvester abgeschlossenen Abkommen, über das sieben Jahre lang verhandelt wurde. Und – wenig verwunderlich – die Meinungen gehen weit auseinander. Die involvierten Politiker preisen es. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagt: „Das Abkommen wird europäischen Investoren einen bisher nicht möglichen Zugang zum chinesischen Markt öffnen.“ Angela Merkels treuer Adlatus, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, spricht von einem „handelspolitischen Meilenstein“. Die Wirtschaft begrüßt es, schließlich profitiert sie davon, zum Beispiel von den neuen, leichteren Marktzugangsbedingungen für diverse Branchen – von Autos über Banken bis Telekom. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sagt, dass das Abkommen „significantly improves the competitive environment for European companies in China.” Und Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes für Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) kabelt nur kurz: „Gute Nachricht“. Das CAI biete größere Rechtssicherheit und bessere Wettbewerbsbedingungen.

Gute Nachricht? Das sehen die, die Nachrichten verbreiten, völlig anders. Die deutschen Medien kritisieren nahezu unisono den Abschluss des Abkommens. Lea Deuber leitartikelte in der Süddeutschen Zeitung: „Zynischer Pakt“. Bernhard Zand attestiert in Spiegel Online: „Mittelmäßiger Vertrag, mieser Zeitpunkt.“ In „Die Zeit“ sieht Ulrich Ladurner in dem Abkommen ein „Neujahrsgeschenk für den KP-Chef“. Auch für Steffen Wurzel (ARD Hörfunk) ist es ein „symbolisch wertvolles Geschenk der Europäer“.

Was die Kommentatoren an der Seitenlinie monieren ist vor allem der Zeitpunkt. Derzeit, wo die Chinesen repressiv in Hongkong und Xinjiang (Uiguren!) vorgehen, sei ein Abschluss eines solchen Abkommens ein falsches Signal. Und zum anderen hätte man warten sollen, bis Joe Biden im Amt ist, denn dann hätte man gemeinsame Sache gegen China machen können.

Aber man kann es auch anders sehen: Einen besseren Zeitpunkt konnte es nicht geben. Die Chinesen fürchteten einen Schulterschluss EU-USA unter Biden. Und plötzlich bewegten sich die Chinesen. Doris Fischer (Professorin an der Uni Würzburg): „Die Chinesen sagten: Jetzt ändert sich das in den USA, lasst uns den Europäern entgegenkommen.“ Sieben Jahre wurde verhandelt, 35 Verhandlungsrunden wurden gedreht, die Annäherung konnte man nur in Millimetern messen. Und dann bewegten sich die plötzlich die Chinesen auf die Europäer zu. Die Chinesen machten also den Europäern ein Geschenk, das diese dankend annahmen. “Das war richtig”, sagt der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, „China hat entscheidende Zugeständnisse gemacht“. Das Abkommen sei deshalb ein Erfolg für Europa.

Wie geht es nun weiter mit dem Abkommen? Es geht seinen beschwerlichen Brüsseler Weg. Es muss erstmal ausformuliert und übersetzt, dann vom Rat verifiziert werden, und dann geht es zur Abstimmung ins Europäische Parlament. Reinhard Bütikofer von der Grünen-Fraktion sagt schon mal drohend etwas Selbstverständliches: „Es gibt keinen Deal, bevor nicht das EP ja gesagt hat.“ Er führt die Front der Gegner an. Auf die Frage, wie stark sie seien, antwortet er wahrheitsgemäß: Er sei nur „einer von 705“. Bernd Lange (SPD), Vorsitzender im Ausschuss für internationalen Handel, wird da im folgenden Interview etwas konkreter.

Info:

Die EU-Kommission gab am 30. Dezember folgendes Papier mit den Eckpunkten des Abkommens heraus: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_2542

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