Jedes Land hat seinen Star-Virologen. In Deutschland ist es Christian Drosten, in den USA Anthony Fauci, in Schweden – mit inzwischen zweifelhaftem Ruf – Anders Tegnell, und in China ist es Zhong Nanshan.
Der 84jährige wird anerkannt- im Inland wie im Ausland. Das US-Magazin TIME führt ihn in seiner Liste The 100 Most Influential People of 2020. Xi Jinping überreichte ihm Anfang September persönlich den höchsten chinesischen Orden in der Großen Halle des Volkes.
Zhong stammt aus Nanjing. Sein Vater war ein bekannter Kinderarzt. Das reichte, um ihn in der Kulturrevolution als „Sohn eines Kapitalisten“ einzustufen und ihn zum Kohleschaufeln in einen Heizungskeller zu verbannen. Nach 1979 konnte er dann sein in Beijing begonnenes Medizin-Studium an der Edinburgh University fortsetzen und auch am St. Bartholomew´s Hospital in London arbeiten.
Zurück in China leitete er unter anderem das Guangzhou Institute of Respiratory Disease. Außerdem war er Vorsitzender der Chinese Medial Association.
Berühmt wurde er während des Sars-Ausbruchs 2003. In der Bekämpfung des Virus spielte er eine entscheidende Rolle, was ihm in der Bevölkerung den Titel „Sars hero“ einbrachte. Seitdem hat Zhong Nanshan einen gewissen Kultstatus. Er schaffte etwas, was nicht vielen in diesem Land gelingt – er wird sowohl von der Bevölkerung als auch von der Führung geschätzt. Er ist kein abgehobener Wissenschaftler. Der „alte“ Mann – seit langem mit der Basketballnationalspielerin Li Shaofen verheiratet – ist sehr sportlich und offenbar topfit. Zu sehen auf Videos, wo er Hanteln hebt und in Basketballkörbe wirft. Jeden Tag nehme er sich 45 Minuten Zeit für sportliche Übungen, sagt er.
Sein Urteil zählt, Zhongs Worte haben Gewicht, auch bei den Regierenden. Das zeigte sich auch beim Ausbruch der Corona-Krise zu Beginn des vergangenen Jahres. Als Mitte Januar damals klar war, dass sich in Wuhan ein seltsames unbekanntes Virus ausbreitete, setzte sich Zhong in den Zug und fuhr von Guangzhou, wo er forscht und wohnt, nach Wuhan ins Epizentrum der Epidemie.
Nach Gesprächen mit Kollegen und Besuchen in Krankenhäusern der Stadt war ihm schnell klar, dass sich da was ungemein Gefährliches ausbreitete. Kurze Zeit später, am 20. Januar, gab er dann sein legendäres Statement im Staatssender CCTV, wo er sagte, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragbar sei. Drei Tage später wurde Wuhan vom Rest der Volksrepublik abgeschottet.
Zu spät, sagen Kritiker, weil man nicht auf den später verstorbenen Arzt Li Wenliang hörte, der als erster das neue Virus in Wuhan entdeckte, aber von den lokalen Behörden mundtot gemacht wurde. Zhong Nanshan sagt auch zu diesem Fall klare Worte: „He is the hero of China. I am so proud of him, he told the truth, back in December.”
Info:
Hier ist das Video, in dem Zhong Nanshan den verstorbenen Arzt Li Wenliang als Helden preist: https://www.youtube.com/watch?v=LK1Pz8FmryM