Am Abend des 10. November finden auf diversen chinesischen Fernsehkanälen gigantische Shows mit Dutzenden von sogenannten Celebrities statt. Aus dem Mercedes-Benz Center in Shanghai überträgt Zhejiang Satellite TV und Dragon TV die „Double 11 Carnival Night“. Aus der Wukesong Arena in Beijing sendet Jiangsu Satellite TV die „Live Super Night“. Und Hunan Satellite TV strahlt die „11.11. SuperPin Night“ aus.
Feiern die Chinesen plötzlich Karneval, der ja bekanntlich am 11. 11. beginnt? Nein, die Chinesen fallen zwar an diesem Tag auch in einen kollektiven Rausch, aber der ist nicht alkoholbedingt. Sie begeben sich stattdessen in einen weltweit einmaligen Konsumrausch. Vergessen Sie Black Friday oder Cyber Monday – der 11. November ist das Einkaufsspektakel der Welt. An diesem Tag können Chinesen alles zu Sonderpreisen online einkaufen, was das Herz begehrt: vom Lippenstift über Designerklamotten und Autos bis hin zu ganzen Häusern. Alle E-Commerce-Händler – allen voran die Marktführer Alibaba, JD.com und Pinduoduo – beteiligen sich daran und bereiten sich schon seit Monaten auf diesen Tag vor. Aber auch die boomenden Livestream-Firmen wie Douyin und Kaishou, die ins E-Commerce-Business drängen, sind inzwischen dabei.
Längst reicht der eine Tag des 11. November nicht mehr aus, um all die Nachfrage zu befriedigen. Deshalb hat Alibaba dieses Jahr zum ersten Mal ein zweites Zeitfenster aufgemacht – vom 1. bis 3. November. Außerdem haben fast alle Anbieter sogenannte Pre-Sales-Phasen vorgeschaltet. Daran kann man erkennen, welche Produkte dieses Jahr besonders gut laufen: Vor allem Reinigungsmittel (Folge von Corona?); Kosmetik, auch für Männer und am liebsten aus dem Ausland; Tiernahrung – auch am besten importiert. Ansonsten sind mehr chinesische denn ausländische Produkte gefragt, ergab eine Umfrage von AlixPartners. 57 Prozent sagen, sie würden – warum wohl? – weniger amerikanische Produkte kaufen.
Milliarden Produkte werden aus den Lagern der Händler zu den Kunden transportiert werden. Das ist
eine gigantische logistische Herausforderung. Beispiel Cainiao, der Logistik-Dienstleister von Alibaba. In den vergangenen Wochen wurden 10 Millionen Tonnen an Produkten aller Art in die diversen Warenlager von Cainiao geschafft. 160 000 Mitarbeiter wurden zusätzlich eingestellt. 700 Flugzeuge wurden gechartert, eine Armada von 20 000 Self-Service-Pickups wird in 150 größeren Städten unterwegs sein.
Die Frage ist, wohin soll dieses Immer-Mehr führen? Kann dieser Gigantismus so weitergehen? Oder ist der Höhepunkt erreicht?
Der Internetkonzern Netease hat die Frage für sich schon beantwortet. Er hat entschieden, sich mit seiner E-Commerce-Plattform Yanxuan nicht mehr am 11. 11. zu beteiligen. Stattdessen will er ganzjährig Sonderangebote anbieten. Vorreiter eines neuen Trends?
Info:
Wer im Westen mal sehen will, wie das alles abläuft, dem bietet Alibaba am 11. 11. um 16.30 Uhr- also kurz vor Mitternacht chinesischer Zeit – eine Liveschaltung mit dem Titel „Understanding 11. 11.: Alibaba`s Mega Shopping Festival” an. Registrieren kann man sich hier: https://alibaba.brand.live/c/11-11?utm_source=Jing+Daily+Subscriber+List&utm_campaign=0e1c72ee06-EMAIL_CAMPAIGN_2020_03_12_06_39_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_8dec01cd8d-0e1c72ee06-408061485