Wer hierzulande an den Kassen von dm, Rossmann oder Kaufhof steht, dem ist vielleicht schon dieses kleine blaue Viereck aufgefallen, das neben den Hinweisen auf die üblichen Kreditkarten oder die EC-Karte prangt und auf dem Alipay steht. Hier kann man also mit seinem Handy bezahlen, vorausgesetzt man hat ein Konto bei Alipay. Und das haben fast nur Chinesen. Die Zielgruppe bei Rossmann & Co. sind deshalb chinesische Touristen, die auch im Ausland nicht auf ihr gewohntes Zahlungsmittel verzichten sollen.
In China – das weiss man inzwischen auch hierzulande – wird fast nur noch mit dem Handy bezahlt. Egal ob auf dem Gemüsemarkt oder bei Gucci. Alipay ist neben WeChat Pay das dominierende Bezahlsystem in China. Die beiden bilden ein dominierendes Duopol. Alipay hat mit einem Marktanteil von aktuell 55 Prozent derzeit die Nase etwas vorn.
Alipay ist Teil der Ant Technology Group. Und diese gehört wiederum dem Alibaba-Konzern und Jack Ma, der bei den Stimmrechten die Mehrheit hält. Aber nun will dieses Ant Technology den Aktionärskreis verbreitern und demnächst an die beiden Börsen in Hongkong und Shanghai gehen. Es wird voraussichtlich der größte Börsengang (IPO) aller Zeiten werden. Bisheriger Rekordhalter ist der saudische Energiegigant Saudi Aramco, der 2019 bei seinem IPO knapp 30 Milliarden Dollar erzielte. Experten schätzen, dass Ant Technology rund 35 Milliarden Dollar bei den Anlegern kassieren könnte.
Was macht Ant so wertvoll und begehrt? Natürlich ist das zum Teil Alipay, aber Ant ist viel mehr als nur Alipay. Ant Technology ist ein digitaler Finanzkonzern, das führende Fintech-Unternehmen der Welt. Es bietet fast die komplette Palette an Finanzdienstleistungen online an. Ob Kredite, Vermögensverwaltung oder Versicherungen – für jeden Wunsch hat Ant Technology eine Tochterfirma, die diesen erfüllen kann. Das Geschäft ist hochprofitabel, auch weil der Konzern keine Filialen hat und statt teuren Beratern oft Algorithmen entscheiden lässt. Im ersten Halbjahr 2020 machte Ant Technology bei einem Umsatz von 10,5 Milliarden Dollar 3,2 Milliarden Dollar Gewinn. Das sind Renditen, von denen etablierte Finanzkonzerne – ob Banken oder Versicherungen – nur träumen können. Traditionelle Unternehmen wie Citibank, HSBC oder Allianz betrachten deshalb den Newcomer aus China als großen gefährlichen Konkurrenten.
Ursprünglich sollte der Börsengang von Ant Technology Ende Oktober erfolgen. Er wird wohl etwas später stattfinden. Zwei Gründe: Erstens hat die chinesische Aufsichtsbehörde CSRC (China Securities Regulatory Commission) erst in diesen Tagen ihr Ok für den IPO in Hongkong gegeben (sie monierte, daß Alipay für manche Kleinanleger der einzige Kanal ist, Aktien von Ant zu zeichnen und am Börsengang teilzunehmen). Zweitens plant die Trump-Administration Ant Financial auf ihre schwarze Liste von chinesischen Firmen zu setzen, denen Geschäfte in den USA untersagt werden, weil sie vermeintlich Daten von US-Bürgern an den chinesischen Staat weiterreichen. In diesem Falle ein besonders skurriles Argument, weil Ant Financial gar keine US-Kunden hat.
Ant heißt übrigens Ameise. Warum dieser Name? Jeder fängt mal klein an, sagte bei der Gründung Jack Ma. Und zudem könnten Ameisen zusammen sehr viel erreichen. In der Tat.