Ja, was ist Christian Y. Schmidt? Journalist, Kolumnist, Satiriker, Schriftsteller? Alles. Wortakrobat. Einer, der mit den Worten spielt, sie aber auch als Waffe einsetzt. Er kann bissig sein. Heute ist er zahm.
Ich treffe ihn im Restaurant Lao Xiang im Prenzlauer Berg. Er kommt mit dem Fahrrad. Auf dessen Querstange steht China by Bike. Das ist der Firmenname seines Freundes Volker Häring, dem Berliner Reiseschriftsteller und -veranstalter. Mit ihm wollte er eigentlich im Frühjahr eine Radtour durch China machen. Die beiden wollten den Langen Marsch Maos nachfahren. Daraus wurde nichts wegen Corona.
Schmidt war am 13. Februar von seinem Wohnort Beijing nach Berlin ausgereist. HU 489 war der letzte Berlin-Flug von Hainan Airlines. Er wolle hier ein paar Wochen bleiben, um sein neues Buch „Der kleine Herr Tod“ vorzustellen. Seitdem sitzt er hier fest. Und deswegen können wir uns hier noch Anfang Oktober im Lao Xiang treffen.
Schmidt greift in seinen Rucksack und zieht ein Buch in DIN-A4-Format heraus. Darauf steht: CORONAVIRUS UPTDATES BEIJING. Es ist sein jüngstes Werk, ein sehr persönliches. Darin beschreibt er sein Leben mit dem Virus erst in Beijing und dann in Berlin. Er hat beide Welten erlebt, er kann vergleichen. Und der Vergleich fällt wenig schmeichelhaft für die deutschen Behörden und Politiker aus. Es fällt das Wort dilettantisch. Für Schmidt gibt der unterschiedliche Umgang mit der Pandemie auch eine Antwort auf die Systemfrage: „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Pandemie noch einmal bestätigt hat, dass der neoliberale Staat am Ende ist.“ Er hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass bei der Lösung kommender massiver Probleme wie zum Beispiel die Klimakatastrophe „nicht neoliberal verfasste Staaten wie der chinesische sich als erfolgreicher erweisen werden“. Starke, nachdenkliche Worte abseits des Mainstreams.
Im November will er – voraussichtlich – endlich wieder zurück nach Beijing. Er darf das, denn er hat ja eine Aufenthaltsgenehmigung. Seit 2006 lebt er dort. Wie kommt eigentlich ein linker Titanic-Schreiber nach China? Auf einer Fete in Frankfurt lernte er einst eine Frau, Gong Yingxin, kennen. Alt-Maoist trifft Investmentbankerin – fast Stoff für einen Kitsch-Roman. Aber diese Begegnung spielt hier im richtigen Leben. Sie bekam dann 2003 ein Jobangebot der Dresdner Bank (ja, die gab es mal) nach Singapur. Und Schmidt ging mit. Dort heirateten sie auch. Es war so etwas wie eine Muß-Heirat – aus visumtechnischen Gründen. Irgendwann hatte er keine Lust mehr, ins benachbarte malaysische Johor Bahru auszureisen, um nach der Wiedereinreise seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Durch die legalisierte Beziehung bekam er den Status des bleibeberechtigten Ehemann.
Dann wechselte Gong Yingxin 2006 nach Beijing. Sie wurde dort Leiterin dort des Buchinformationszentrum, die Vertretung der Frankfurter Buchmesse. Und Gatte Schmidt zog mit. Er tat dort, was er am besten kann: Schreiben. Heraus kamen unter anderem zwei Bestseller: Allein unter 1,3 Milliarden und Bliefe von dlüben.
Ach so: Es muss noch etwas geklärt werden. Was bedeutet das Y. im Namen? Y. steht für nichts. Es ist einzig und allein ein Differenzierungsmerkmal gegenüber den vielen anderen Christian Schmidts auf dieser Welt.
Info:
Das ganz aktuelle Buch Coronavirus Update Beijing gibt es nur in einer limitierten Auflage von 100 Stück zum Preis von 100 Euro. Zu beziehen ist es über den Hybriden-Verlag von Hartmut Andryczuk, hybriden@icloud.com.
Wesentlich günstiger ist das aktuelle Buch (es hat nichts mit China zu tun) von Christian Y. Schmidt: „Der kleine Herr Tod“, Rowohlt Berlin, 144 Seiten, 16 Euro.
Sehr zu empfehlen sind seine beiden „Klassiker“ über China. Zum einen „Allein unter 1,3 Milliarden- Eine chinesische Reise von Shanghai nach Kathmandu“ (rororo Taschenbuch, 320 Seiten, 7,90 Euro) und „Bliefe von dlüben“ (rororo Taschenbuch, 224 Seiten, 10 Euro).