CHINAHIRNliest…

….Daniel Leese: Maos langer Schatten – Chinas Umgang mit der Vergangenheit. Manchmal hilft der Zufall bei der Kreation einer Buchidee. Es war 2005, als der Freiburger Sinologie-Professors Daniel Leese einen Flohmarkt in einem Möbelmarkt am Rande Beijings besuchte und etwas Altpapier mitnahm. Die Papiere hatten freilich brisanten wie interessanten Inhalt: Es waren rund 300 Urteilsbegründungen eines mittleren Volksgerichts über Täter und Mitläufer der maoistischen Kulturrevolution. Doch erst Jahre später machte sich Leese an das intensive Studium dieser Urteile heran und weitete es zu einer umfassenden Recherche über den Umgang von Staat und Partei mit Maos schlimmen Taten. Ergebnis der jahrelangen Arbeit ist ein Buch, das es so bisher nicht gab. Wir wissen durch viele Biographien und andere Bücher, wer Mao war, was er dachte, und was er tat – im Guten wie im Bösen. Und wir wissen natürlich, weil Zeitzeugen, noch mehr über das China der Reformen, die unter Maos Nachfolger Deng Xiaoping Ende der 70er Jahre einsetzten und China bis heute in den Status einer Weltmacht katapultierten. Aber wir wissen wenig über diese Übergangsjahre zwischen Maos Tod am 9. September 1976 und dem Beginn des anschließenden Reformkurses. Diese Wissenslücke füllt Leese mit seinem Buch. Gleichzeitig räumt er mit einem (Vor-)Urteil auf, dass Maos Terror in der Volksrepublik nie richtig aufgearbeitet wurde. Leese: „Es gibt wohl kaum einen Staat, der sich im unmittelbaren Gefolge eines politischen Führungswechsels intensiver und großflächiger mit Fragen politischen Unrechts auseinandergesetzt hat als die Volksrepublik China zwischen 1976 und 1986.“ Wie das Staat, Partei, Justiz, Medien und das Volk taten, beschreibt – mit vielen Anekdoten angereichert – eindrucksvoll Leese in seinem leesenswerten Buch.

Info:

Daniel Leese: Maos langer Schatten – Chinas Umgang mit der Vergangenheit, C.H. Beck Verlag, 606 Seiten, 38 Euro.

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