CHINAHIRNfragt…

….Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die LINKE:

Herr Gysi, befinden wir uns in einem neuen Kalten Krieg zwischen den USA und China?

Gysi: Die beiden führen zunächst mal einen Handelskrieg. Aber es geht um mehr. Die Auseinandersetzung der USA mit China ist vor allem auch ein Kampf einer untergehenden gegen eine aufkommende Weltmacht. Diese Kämpfe hat es in der Geschichte immer wieder gegeben – mit den bekannten Ergebnissen: Das Römische Reich, das Persische und übrigens auch das Russische sind untergegangen..

CHINAHIRN: Wie sollen wir Deutschen, wir Europäer uns bei dieser Auseinandersetzung verhalten? Uns auf eine Seite schlagen?  

Gysi: Der Druck der Amerikaner auf uns ist sehr stark, was China – und übrigens auch Russland – anbetrifft. Aber wir sollten nicht wieder mal den USA hinterherlaufen. Wir sollten uns aus dem amerikanisch-chinesischen Streit heraushalten, eigene und europäische Interessen artikulieren. Sonst bekommen wir gravierende Probleme.

CHINAHIRN: Wirtschaftlich?

Gysi: Wir brauchen gute und faire Wirtschaftsbeziehungen zu China. Darüber hat Deutschland ein strategisches Interesse an guten Beziehungen zu Russland und China. Und wir benötigen Russland und China auch im UN-Sicherheitsrat.

CHINAHIRN: Und das Thema Menschenrechte bleibt außen vor?

Gysi: Wir müssen auch für die Förderung der Menschenrechte streiten. Tibet war schon immer ein schwieriges Gebiet, aber Chinas Führung hat die Jugend Tibets privilegiert; sie kann viel leichter als andere junge Menschen studieren. Ich frage mich: Warum machen sie das nicht auch mit den Uiguren?

CHINAHIRN Es scheint überhaupt viel Unverständnis zu geben zwischen Berlin und Beijing…

Gysi Was fehlt ist das Grundvertrauen auf beiden Seiten. Wenn das vorhanden wäre, wäre es eine andere Beziehung.

CHINAHIRN Die Bundeskanzlerin setzt doch seit Jahren auf vertrauensvolle Zusammenarbeit mit China.

Gysi: Ja, Merkel bemüht sich darum. Aber sie hat dabei nicht das Kabinett hinter sich. Außenminister Maas und Entwicklungsminister Müller zum Beispiel sehen das Verhältnis zu China anders als die Kanzlerin.

CHINAHIRN Aber auch Die Linke hat keine einheitliche Linie zu China.

Gysi: Ja, auch bei uns gibt es Streit darüber, wie mit China umzugehen ist. Dabei ist die Tonlage in der Fraktion anders als in der Partei. In der Fraktion ist es einfacher, eine einheitliche Linie hinzubekommen.

CHINAHIRN Herr Gysi, Sie haben vor über 30 Jahren die friedliche Revolution in der DDR an vorderster Front miterlebt. Können Sie sich eine ähnliche Bewegung heutzutage auch in der Volksrepublik China vorstellen?

Gysi Die DDR-Protestbewegung hatte 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung hinter sich. Das war 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens anders. Die Intellektuellen in Beijing hatten andere Interessen als zum Beispiel die Bauern. Und ich sehe auch derzeit keine Mehrheit für eine gravierende Änderung in China. Und im Übrigen: Wenn China zerfiele, das können wir uns doch alle nicht leisten.

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