FILM I WUHAN

Ai Weiwei sitzt ja eigentlich in Europa. Erst war er in Berlin, was ihm dann zu spießig war. Nun lebt er in London. Von dort hat er in Corona-Zeiten einen Film drehen lassen, und zwar im Epizentrum der Pandemie – in Wuhan. Titel: „Coronation“, eine Doku über die Anfangstage in Wuhan, exakt die Zeit vom 23. Januar bis 8. April. 

    Wie geht das, wenn der Produzent in Europa sitzt, wer hat da gefilmt? Gegenüber Ian Johnson (The New York Times) erklärte Ai Weiwei, der sich gerade in Portugal aufhält: „Ich hatte ein Team, das sofort starten konnte. Die mussten nicht lange fragen, was ich wollte.“ Man kannte sich, man verstand sich. Wenn Ai Weiwei freilich was macht, dann hat es immer einer größere Dimension und natürlich eine Botschaft. „Das Publikum muss verstehen, dass dies ein Film über China ist,“ sagte er gegenüber der New York Times. „Ja, es ist ein Film über den Corona-Lockdown, aber es ist auch eine Reflexion darüber, was die gewöhnlichen Chinesen durchgemacht haben.“

    Für Mark Siemons (FAZ) ist denn auch dieser beschriebene Alltag „das eigentliche Thema“ dieses Films. „Die Perspektive gewöhnlicher Leute, die, eingezwängt zwischen viraler Bedrohung und umfassendem staatlichen Verfügungsanspruch, um ihr eigenes Leben ringen.“ Swantje Karich urteilt in der Welt: “115 Minuten Wuhan und am Ende weiß man nicht recht, wie das eigene Urteil zu China ausfällt, ob das Land die Pandemie mit seinem Durchgreifen am Ende doch irgendwie ganz gut in den Griff bekommen hat oder nicht. Sicher aber ist, dass die brachiale Entschlossenheit dieses Regimes, jeden Aspekt der Gesellschaft, jeden Einzelnen zu kontrollieren, jede kleinste Ausprägung von Menschlichkeit zerstört. Die Leute werden dirigiert wie Ameisen, überwacht und unterdrückt.” 

    Durch diese gar nicht versteckte Systemkritik kassierte Ai Weiwei einige Absagen. Amazon und Netflix nahmen den Film nicht in ihren Streamingprogramm auf, ebenso sagten einige Organisatoren von Filmfestivals (Toronto, Venedig) nein. So landete der Film schließlich bei Vimeo.  

     Wenn Ai Weiwei etwas macht, bekommt dies weltweite Beobachtung und meist Bewunderung. Takeuchi Ryo hat diese globale Ausstrahlung nicht. Doch auch der japanische Dokumentarfilmer, der seit sieben Jahren in Nanjing lebt, hat einen sehenswerten Film über Wuhan gedreht: „Long time no see, Wuhan!“ Darin begleitete er zehn Familien in Wuhan während und nach der Pandemie. Ryos Film hat zwei Vorteile: Das einstündige Werk gibt es umsonst. Und er hat auch noch deutsche Untertitel. 

Info:

Mehr über den Film von Ai Weiwei und einen Trailer gibt es unter https://www.aiweiwei.com/coronation. Unter  dieser Adresse kann er auch bei Vimeo on Demand bestellt werden. Eine Ausleihe kostet 5 Euro, der Kauf 15 Euro. 

Der Doku-Film von Takeuchi Ryo kann bei youtube heruntergeladen werden: https://www.youtube.com/watch?v=N4ABOJ1y5iM&t=140s

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