EINREISEN 1 I Quarantäne in Qingdao – Von Andreas Feege*

Zwei Wochen verbrachte ich nach der Landung meines Lufthansa-Charterfluges LH 786, organisiert durch die deutsche Handelskammer, in der chinesischen Hafenstadt Qingdao. Ein Ort mit deutscher Vergangenheit. 14 Tage waren die vorgeschriebene Quarantäne-Zeit, die wir in einem Hotelzimmer – als langen Zwischenstopp – „absitzen“ mussten. Zusammen mit den anderen Passagieren war für diese Zeit mein vorübergehendes Zuhause das von der Provinzregierung bestimmte Mangrove Tree Hotel, direkt am Meer gelegen. Gesehen habe ich das Wasser (und übrigens auch die Sonne) freilich nicht, denn ich bekam ein Zimmer auf der Nordseite zugeteilt. Dafür hatten wir alle einen Balkon. Das war – im Vergleich zu vielen anderen Quarantäne Hotels – ein unschätzbarer Vorteil, denn so konnte wir ungefilterte, frische Luft atmen, da auch die Klimaanlage abgeschaltet war.

     Die Tage hatten – fast wie in einem Krankenhaus – einen streng geregelten Ablauf. Dreimal täglich klopfte es an der Tür: Um 8 Uhr, 11.30 und 17.30 Uhr. Um diese Zeiten wurde das Essen vor die Tür gestellt, was abgesehen vom Frühstück schon ein bisschen früh war, und so wurde das Essen oft kalt. Das waren auch jeweils die einzigen Anlässe, zu denen ich die Zimmertüre aufgemacht habe. Ich trauen mich sonst keinen Schritt in den Flur, da sicherlich eine Kamera die Einhaltung der Quarantäne überprüft hat. Die Essenstabletts wurde mit vielen gut gemeinten Elementen deutscher Tradition ergänzt, zum Beispiel Sauerkraut mit Würstchen und abgepacktem Brot. Zwischendurch konnte man auch über den Zimmerservice Burger und Sandwiches ordern, was bereits nach einigen Tagen eine willkommene Abwechslung war. Für ausreichende Getränke war gesorgt. Die Stadtregierung von Qingdao, der Heimat des weltberühmten Tsingtao Bieres, spendierte sogar für die gesamte Zeit des Aufenthaltes die Getränke und Freibier in Dosen.

    Zweimal am Tag – um 9 und 15.30 Uhr – kamen Menschen in Schutzanzügen, Masken und Schutzbrillen ins Zimmer, um Fieber zu messen. Man fühlte sich, wie während des ganzen Transfers, als ein Außerirdischer, kommend von einem anderen Planeten. Das waren die einzigen Menschen, die ich während der zwei Wochen sah. Mit den anderen (in der Spitze überlappend mit dem früheren Flug) fast 400 Gästen und Mitreisenden kommunizierte man per Smartphone in der eigens von der Handelskammer eingerichteten WeChat-Gruppe. Wichtigstes Thema dabei waren Lieferdienste und die Frage, welche Gesundheits-App man für die Rückkehr in das „normale“ Leben brauchte. Jeder plante schon vom ersten Tag an die Zeit nach der Entlassung. Überhaupt: Die AHK hat zusammen mit den Sino-German Ecopark und der Stadtregierung diesen Aufenthalt perfekt organisiert. Die Leute im Hotel – darunter auch sechs per Handy erreichbare Dolmetscher – waren sehr freundlich und hilfsbereit. Wir waren dankbar für die Möglichkeit wieder in China sein zu können und haben für die Angestellten zum Abschied Geschenke gesammelt. Kinder haben als Zeichen des Danks Bilder gezeichnet.

    Jedenfalls habe ich mich keinen Moment gelangweilt auch wenn ich eine Liste mit meinen täglichen Fiebermesswerten führte, um zu sehen wie viele Tage noch verblieben. Ich hatte genug Arbeit mitgenommen und bewältigte diese, wie in den letzten sechs Monaten außerhalb Chinas, via Internet und Videokonferenzen mit Kollegen und Kunden. Es war nur ein anderes Home Office im Hotel. Zur Abwechslung und Entspannung schaute ich heruntergeladene Filme und Serien, und zudem gab es im Fernsehen einen HBO-Kanal. Außerdem nutzte ich die Zeit, um mein Chinesisch über angebotene Online-Kurse zu verbessern.

    Natürlich haben alle extrem vermisst, dass man sich kaum bewegen konnte. Der Radius beschränkte sich auf Bett, Balkon und Schreibtisch. Es war deshalb auch ein ganz besonderes Gefühl für mich nach der „Entlassung“ am 6. August, sich endlich wieder frei und quasi unbegrenzt und selbstbestimmend bewegen zu können oder Sport zu treiben. Und ich habe mich wahnsinnig auf das Essen gefreut. Das habe ich in Shanghai genossen, wohin ich von Qingdao aus direkt zu dienstlichen Terminen geflogen bin. China at ist best- grösser hätte der Unterschied gar nicht sein können. Dort war ich erstaunt, wie wenig Menschen Masken tragen. Aber ein Zeichen, dass sich – hoffentlich – in China die Lage zunehmend normalisiert, um auch bald wieder einmal nach Deutschland ohne Quarantäneauflage zurückreisen zu können. 

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*Andreas Feege ist seit September 2019 Leiter der German Practice bei KPMG in Beijing. Seit 1988 ist Feege bei KPMG und war zwischen 2007 und 2012 schon einmal für die Wirtschaftsprüfergesellschaft in Beijing.

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