WIRTSCHAFT | Hört auf zu nörgeln! Von Bernd Reitmeier*

Das ständige Nörgeln nach einem „level playing field” (gleiche Wettbewerbsbedingungen) in China geht mir langsam auf den Geist. Wir haben das Fußballspielen doch früher auch auf dem Bolzplatz gelernt – rutschig, mit Löchern im Boden, manchmal mit Gegenwind. Wir können unseren Kollegen doch nicht ständig erklären, dass das Spiel in China eh schon entschieden ist, nur weil der Boden uneben ist. Wenn China irgendwann in Zukunft den Rollrasen pflanzt, glaubt denn dann noch jemand ernsthaft, dass unsere Spieler noch laufen können, schießen können und vielleicht sogar noch Tore erzielen? Dann ist es besser, wenn sie den Ball erst gar nicht ins Spiel werfen, denn dann steht das Resultat bereits vor Anpfiff fest.

  Wir müssen unsere Spiele wieder analysieren. Es liegt nur sehr selten an der Spielbarkeit des Bodens, wenn wir verlieren. Viel wahrscheinlicher ist es, dass wir die falsche Spielstrategie gewählt haben, die falschen Spieler auf dem Platz hatten, die Fitness nicht stimmt, das Vertrauen des Managements in unsere Mannschaft fehlt oder den Zuschauern unsere Spielweise nicht gefällt und sie uns deshalb nicht unterstützen.

   Wir müssen wieder zu einem konstruktiven Informations- und Erfahrungsaustausch in der deutschen Community zurückfinden, voneinander lernen und geschickter im Markt agieren. Wir müssen uns wieder Gedanken machen, wie wir unter bestehenden Bedingungen erfolgreicher sein können. Wenn vor 20 Jahren ein neues Gesetz in China verabschiedet wurde, haben wir uns getroffen und diskutiert, wie wir Reglements im grauen Bereich umgehen können. Heute besprechen wir nur, wie uns das neue Gesetz beschneidet.

   Ob Falke oder Taube, wir haben doch alle selbst entschieden, nach China zu fliegen, um dort Geschäfte zu machen. Wenn einem Investor in China das totalitäre System missfällt, dann ist es nur anständig, sich vom chinesischen Markt zu verabschieden. Dann sollte man jedoch auch bewerten, ob ein rassistischer Präsident in den USA oder rechter Premierminister in Ungarn ein Engagement in diesen Ländern rechtfertigt oder auch dort ein Wertebruch mit unserem System besteht.

_________________________________

*Bernd Reitmeier ist seit 2010 Geschäftsführer und Mitgründer der Startup Factory (Kunshan) Co. Ltd. Davor war er 13 Jahre lang in verschiedenen Funktionen bei der der AHK in Shanghai tätig. Er ist zu erreichen unter  bernd.reitmeier@startup-factory.biz. Dieser Beitrag gibt die Meinung des Verfassers wieder.

No Comments Yet

Comments are closed