Am 22. Mai feierte das Unternehmen Xiaomi seinen 15. Geburtstag. Es war freilich kein Freudenfest, das der Konzern veranstaltete. Es war eher eine Trauerfeier, denn Ende März starben in einem SU7, einem Xiaomi-Auto, drei junge Menschen, als der Autopilot versagte. Xiaomi-Gründer Lei Jun (55) hielt auf besagter Feier eine Rede, in der er erst auf den Unfall und seine Folgen einging: „We were hit by a storm of doubts, criticism, and blame.“ Aber relativ schnell kam danach Lei Jun auf den unternehmerischen Alltag zu sprechen: „In any case, I believe this is an opportunity for us to seriously review the wins and losses of the past five years.”
Vor fünf Jahren hat sich das Unternehmen nämlich ein neues Ziel gesetzt: „To become a global leader in next-generation hard-tech.“ Was er unter hard tech alles versteht, erklärte er in einem CCTV-Interview Ende 2023: „Hard tech means chips, smart manufacturing, robotics, operating systems – these core layers.“ Xiaomi sollte also mehr sein als nur ein Handyhersteller, der es binnen weniger Jahre in die globale Spitzengruppe der Smartphone-Hersteller geschafft hatte. Nach Apple und Samsung ist Xiaomi inzwischen die Nummer Drei in der Welt.
Apple ist ein gutes Stichwort. Immer wieder wird Xiaomi als das „Apple von China“ bezeichnet. An diesem Vergleich war Unternehmensgründer Lei Jun nicht unbeteiligt, hat er doch schon früh Apple und dessen legendären Gründer Steve Jobs bewundert. Als Lei Jun Ende der 80er Jahre in Wuhan Computerwissenschaften studierte, las er viel über die Entstehung des Computers, über das amerikanische Silicon Valley und über Steve Jobs, den Apple-Gründer. „In the 1980s, Steve Jobs was my first role model“, sagte er in einem Interview mit CCTV. Es sollte allerdings Jahre dauern, bis Lei Jun seinem Vorbild nacheiferte. Nach seinem Studium fing er 1991 beim chinesischen Software-Hersteller Kingsoft an. Dort stieg er binnen weniger Jahre vom Software-Ingenieur zum Vorstandsmitglied auf. Doch Kingsoft hatte immer wieder Probleme, die Träume von einer chinesischen SAP erfüllten sich nicht. Lei Jun stieg aus und gründete in der ersten Boomphase des Internets den Online-Buchversender Joyo.com. Diesen verkaufte er 2004 an den US-Konkurrenten Amazon. Lei Jun war um einige Erfahrung und mehrere Millionen Yuan reicher.
2010 gründete er mit anderen Mitstreitern Xiaomi (小 米). Xiao heißt klein, mi bedeutet Reis. Im August 2011 kam das erste Handy von Xiaomi, das Mi 1, auf den Markt- ein optisch ansprechendes Produkt, das bei weitem nicht so teuer war wie ein iPhone. Anfangs trat Lei Jun bei den Präsentationen wie Steve Jobs auf – schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans. Inzwischen ist Lei Jun jedoch viel mehr als nur eine Kopie des legendären amerikanischen Apple-Gründers und Xiaomi ist viel mehr als nur das „Apple of China“. Systematisch hat Xiaomi seine Produktpalette erweitert. Zunächst um allerlei Elektroprodukte, die in den eigenen Mi-Läden verkauft wurden, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Apple-Shops hatten.
Anfang der 2020er Jahre folgte dann der große Schritt Richtung – wie er es nennt – „hardtech“, vor zu allem E-Autos und Robotern. Auch Apple spielte ja lange Zeit mit dem Gedanken, ein Elektroauto zu bauen, verwarf aber im Frühjahr 2024 die Idee. Anders dagegen Xiaomi. Im CCTV-Interview erläutert Lei Jun den Grund: „Smart EVs merge auto and consumer electronics. It’s challenging, but the difficulty is controllable.” Beim Einstieg in den Autobau kleckerte er nicht, sondern er klotzte entsprechend seiner „10-x Investment-Regel“. Diese erklärt er an einem Beispiel: Ein typischer Autobauer würde 300 bis 400 Ingenieure an die Entwicklung eines Autos setzen, er dagegen habe aber 3400 Ingenieure eingesetzt, um das erste Xiaomi-Auto zu entwickeln. So entstand in seiner Fabrik in der Beijing Economic Tech Zone das erste Xiaomi-Auto – der SU 7, ein sportlicher Elektro-SUV.
Nicht ganz so erfolgreich war Xiaomi mit seinen Robotern. Bereits 2021 kam das Unternehmen mit dem ersten CyberDog auf den Markt. 2022 folgte dann Cyber One, ein humanoider Roboter. Doch am Markt konnten sich die Xiaomi-Roboter nicht so richtig durchsetzen. Einige Top-Entwickler verließen das Unternehmen. Mitte 2024 wurde das Robotics Lab in die Autosparte integriert. Aber ein Lei Jun lässt sich dadurch nicht entmutigen. Er diversifiziert munter weiter – auch in Richtung Chips. So verkündete er auf der Jubiläumsfeier: „Today, I want to share an extremely important piece of news with you: our self-developed smartphone SoC Chip the Xuanjie 01”. Xiaomi will sich damit bei Chips unabhängiger von Lieferanten machen.
Smartphones, Autos, Roboter, Chips – Xiaomi hat sich viel vorgenommen. Zuviel? Lei Jun wischt diese Gedanken weg beim Blick zurück auf die kurze Firmengeschichte: „Xiaomi existed for 15 years of highs, lows, and hard times have already proved just how resilient we are.”
Sein Motto: „Wenn du den richtigen Rückenwind erwischst, kann auch ein Schwein fliegen.“ Na dann, weiterhin guten Flug.
Info:
Hier kann man das CCTV-Interview und seine Rede anlässlich des 15jährigen Firmenjubiläums nachlesen: https://www.chinatalk.media/p/xiaomis-hard-tech-balancing-act