Am 31. Oktober traf Japans neue Ministerpräsidentin Sanae Takaichi, gerade mal zehn Tage im Amt, am Rande der APEC-Konferenz in Südkorea Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Xy Minuten dauerte das Gespräch. Danach sagte Takaichi auf einer Pressekonferenz: „I hope this meeting will serve as a starting point for Japan and China to face various challenges together.”
Doch mit dem Neustart wurde es nichts. Schon sieben Tage später löste eine Aussage Takaichis vor einem Ausschus des japanischen Parlaments eine veritable Krise aus. Dort antwortete sie auf eine Frage, wie sich Japan im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan verhalten würde, wie folgt (in englischer Übersetzung): „If there are battleships and the use of force, no matter how you think about it, it could constitute a survival-threating situation.“
„Survival-threating situation“ ist ein Ausdruck, der im 2015 verabschiedeten Sicherheitsgesetz steht. Er besagt, dass der bewaffnete Überfall auf einen Alliierten Japans eine externe Bedrohung Japans bedeute und dass in einer solchen Situation Japans Militär eingreifen könne. Nun ist aber Taiwan kein Alliierter Japans. Und die bisherige Politik Japans war es, offen zu lassen, wie es sich im Falle eines chinesischen Angriffs auf verhalten werde. Diese Position der strategischen Zweideutigkeit nehmen auch die USA ein.
Hat Takaichi mit ihrer Aussage diese Zweideutigkeit in eine Eindeutigkeit verändert? Sie sagte vier Tage danach, dass ihre Bemerkung „consistent with the governments traditional position“ sei. Sie wolle aber künftig etwas vorsichtiger mit ihren Formulierungen sein.
Aber da war es schon zu spät. Ihre Aussage verursachte eine Empörungswelle auf chinesischer Seite, die sich immer weiter ausweitete. Erst verstieg sich am 8. November der chinesische Generalkonsul in Osaka, Xue Jian, zu einem brutalen und unpassenden Kommentar: „The dirty head that sticks itself must be cut off.“ Nach japanischen Protesten zog Xue seinen Post auf X zurück.
Etwas sachlicher, aber bestimmt in der Sache waren die offiziellen Kommentare aus dem chinesischen Außenministerium. Ebenfalls auf X forderte am 13. November das Ministerium Japan auf, „to stop playing with the fire”. Am 14, November bestellte Vize-Außenminister Sun Weidong den japanischen Botschafter Kenji Kanasugi ein. Dabei nannte er Takaichis Bemerkung „extremely wrong and dangerous“. Nur ein paar Stunden später das gleiche Spiel in Tokio. Japans Außenministerium bestellte den chinesischen Botschafter Wu Jianghao ein, um ihm mitzuteilen, dass die Äußerung von Genrealkonsul Xue Jian „extremely inappropriate“ gewesen sei.
Am Abend des 14. November zündete dann China die nächste Eskalationsstufe. Die chinesische Botschaft in Tokio gab eine Reisewarnung an ihre Landsleute heraus. Chinas drei große Airlines- Asir China, China Eastern und China Southern – boten prompt Stornierungsmöglichkeiten für Flüge nach Japan ein. Rund ein Drittel der Chinesen, die Flüge nach Japan gebucht hatten. Cancelten bisher ihre Flüge.
Am Sonntag, den 16. November, tauchten dann Schiffe der chinesischen Küstenwache rund um die umstrittenen Senkaku-Inseln (Chinesisch: Diaoyu) auf.
Einen Tag später dann erste Zeichen, dass sich die Wogen etwas glätten. Masaaki Kanai, Generaldirektor im japanischen Außenministerium, reiste nach Beijing, um dort seinen Kollegen in gleicher Funktion, Liu Jinsong, zu treffen. Er wollte ihm versichern, dass sich an der Taiwan-Politik auch unter der der neuen Regierungschefin nichts geändert habe. Ob ihm Liu dies abnahm, ist – Stand heute – nicht bekannt.
Man kann aber davon ausgehen, dass die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern unter Sanae Takaichi problembeladen bleiben werden. Die rechte Politikerin strebt – wie ihre großer Mentor Shinzo Abe – einen engen Schulterschluss mit den USA an. Sie will den Militärhaushalt drastisch erhöhen. Und es beginnt im Land eine zaghafte Atomwaffendebatte.