Das INS Land ist ein riesiger Vergnügungstempel innerhalb des Fuxing Parks mitten in Shanghai. Dort befinden sich auf sechs Etagen Dutzende Clubs, Spielhallen, Restaurants und sonstige Vergnügungsmöglichkeiten. Einer dieser Clubs ist The Oasis. Dort fand am vergangenen Wochenende um Mitternacht ein ungewöhnliches Event statt: die Trauung mehrerer heiratswilliger Paare. Alles ganz offiziell, denn das örtliche Huangpu District Civil Affairs Bureau hat sich mit dem INS-Management zusammengetan, um diese Eheschließungen zu nächtlicher Stunde zu ermöglichen. Beide haben etwas davon: Das INS mehr Umsatz, denn die Hochzeitsgemeinde zieht danach durch die Clubs des Komplexes. Und das städtische Büro möbelt seine Heiratsstatistik auf.
China hat – das weiß inzwischen jeder – ein demographisches Problem. Die Bevölkerung schrumpft. Es werden immer weniger Kinder geboren, weil auch immer weniger geheiratet wird. Im vergangenen Jahr wurde der absolute Tiefpunkt erreicht: Nur 6,1 Millionen Ehe wurden geschlossen. Das waren 20,5 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor und der niedrigste Wert seit 1978. Die Regierungen, ob national oder lokal, versuchen deshalb vieles, um die junge Bevölkerung zum Heiraten und zum Kinderkriegen zu bewegen. Manche Städte verteilen Geldgeschenke oder geben Steuererleichterungen. Kommunen richten Heiratsbörsen ein. Und die nationale Regierung schaffte im Mai dieses Jahres eine wichtige bürokatische Hürde beiseite. Bis dato konnten Paare nur dort heiraten, wo sie ihre hukou (Registrierung) hatten. Diese Regel ist seit einem halben Jahr aufgehoben. Nun können Paare heiraten, wo sie wollen. Diese neue Freiheit machte sowohl die Heiratswilligen als auch die Kommunen erfinderisch. „Local governments have since started to scramble for marriage tourists, setting up registration offices around scenic spots, music festivals, subway stations, shopping malls and parks”, schreibt. XXXXY
Hier ein paar Beispiele: In Nanjing kann man im Konfuzius-Tempel heiraten, eine Zeremonie im Stil der Ming-Dynastie inbegriffen. Unverfrorene können sich auf dem Xiling Snow Mountain (über 3o00 Meter hoch) in Sichuan ihr Ja-Wort geben. In Hefei (Hauptstadt von Anhui) wird in einer Metrostation namens Xingfuba (place of happiness) getraut. Manche fahren auch zum Sayram See in Xinjiang. Der liegt in einer wunderschönen Landschaft auf einer Höhe von 2073 Metern. Spricht man diese Zahl auf Chinesisch aus, klingt das so ähnlich wie „I love you deeply“.
Hat nun diese Freiheit zu heiraten, wo man will, einen Boom ausgelöst? Die ersten Zahlen lassen das vermuten, obwohl Boom vielleicht ein zu großes Wort ist. Im dritten Quartal 2025 stieg aber die Zahl der Hochzeiten auf 1,61 Millionen. Das waren 22,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Aber 2024 war ja – siehe oben – ein schwaches Jahr. Der Bevölkerungswissenschaftler Yi Fuxian (University of Wisconsin-Madison) glaubt, dass die positiven Zahlen nur „short-lived“ sind. Der Autor des Buches „Big Country with an Empty Nest“ verweist darauf, dass die Zahl der Frauen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren bis zum Jahr 2050 auf 58 Millionen nahezu halbieren wird. Zudem würden diese jungen chinesischen Frauen eine gute Ausbildung einer frühen Heirat vorziehen. Auch sei ihnen wirtschaftliche Unabhängigkeit wichtig.
Info:
Hier ein Reuters-Artikel zum Thema: https://www.reuters.com/world/china/china-wedding-bells-are-ringing-nightclubs-subway-station-snowy-mountain-peaks-2025-11-07/