Kleider machen Leute, heißt ein altes Sprichwort. Kleider machen aber auch Politik, kann man in einer modernen Variante hinzufügen. Zu besichtigen war dies am 18. November in Beijing. Dort empfing der Spitzenbeamte des chinesischen Außenministeriums, Liu Jinsong, seinen japanischen Kollegen Masaaki Kanai. Und was trug Liu? Einen Anzug im Stile der chinesischen Aufständischen von 1919, die damals gegen die Abtretung chinesischer Gebiete an Japan protestierten. Ein entsprechendes Video von dem Treffen, das von einem Online-Kanal des Staatssenders CCTV ausgestrahlt wurde, zeigte auch, wie Liu – die Hände in den Hosentaschen – auf seinen japanischen Konterpart herunterschaute, der gerade seinen Kopf gesenkt hatte, um wohl den Worten des neben ihm stehenden Dolmetschers zu lauschen. So entstand ein Bild der Demütigung.
Das 20-Sekunden-Video wurde deshalb in Japan als Affront aufgenommen.
Dabei sollte dieses Treffen doch eigentlich dazu dienen, die Spannungen zwischen den beiden Ländern abzubauen. Sie sind durch eine Äußerung der neuen chinesischen Regierungschefin Takaichi entstanden, die ein mögliches japanisches Eingreifen bei einem Konflikt um Taiwan andeutete (siehe CHINAHIRN 113). Fast täglich kommen neue Meldungen über chinesische Nadelstiche. Hier eine Auswahl:
- Die chinesische Botschaft in Tokio warnte ihre Landsleute nach China zu reisen. Mindestens sieben chinesische Fluglinien boten daraufhin kostenlose Stornierungen von Japan-Flügen an. Allein zwischen dem 17. Und 19. November machten davon rund 500 000 Chinesen Gebrauch. Manche Airlines strichen Flüge nach Japan. So wird Sichuan Airlines von Januar bis März 2026 nicht mehr zwischen Chengdu und Sapporo fliegen. Auch der Billigflieger Spring Airlines hat einige Strecken nach Japan aus dem Programm genommen. Insgesamt wurden für den Monat Dezember 1900 Flüge gecancelled.
- Am 19. November sprachen chinesische Behörden einen Bann für alle Importe von Fisch und Meeresfrüchten aus Japan aus, nachdem dieser Bann erst 2023 aufgehoben worden war.
- Im Kulturbetrieb wurden mehrere Konzerte abgesagt. So sollte die japanische Sängerin Ayumi Hamasaki am 30. November in Shanghai auftreten. Über fünf Tage lang hatten rund 200 Helfer die Bühne aufgebaut, dann wurde kurz vor ihrem Auftritt das Verbot ausgesprochen. Ebenso traf es den Jazzmusiker Yoshio Suzuki, der in Beijing ein Konzert geben sollte. Aber auch in Japan fielen Konzerte aus. So wurde zum Beispiel der Auftritt des Cantopop-Sängers Ekin Cheng Yee-Kin im Yebisu Garden Place in Tokio gestrichen.
- Von chinesischer Seite wurden die Jugendaustauschprogramme vorerst ausgesetzt. „Usually, November and December are the season for youth exchanges but now they have all been called off”, zitiert die South China Morning Post einen Insider.
„It certainly appears the Chinese had a punishment plan already in place in case of some missteps by Takaichi´s government”, schreibt Denny Roy (East-West-Center, Honolulu) in der Asia Times.
Die Reaktion in Japan ist gespalten. Nach einer Umfrage von Kyodo News befürworten 48,8 Prozent der Japaner Takaichis Äußerungen, 44,2 Prozent missbilligen sie. Einige Ex-Premiers (Yoshihiko Noda, Yukio Hatoyama und Shigeru Ishiba) kritisieren Takaichi für ihren Kommentar. Interessant die Reaktion von US-Präsident Donald Trump. In einem Telefonat soll er Takaichi zur Mäßigung gegenüber China aufgefordert haben.
Inzwischen sind weitere Meldungen aufgetaucht, die sicher nicht zur Entspannung beitragen. So soll die Insel Yonaguni, die nur 112 Kilometer von Taiwan entfernt liegt, von den USA mit Hilfe des japanischen Militärs weiter als Militär-Stützpunkt ausgebaut werden. Außerdem wird offenbar in Regierungskreisen diskutiert, ob Japan nicht von seinen „drei nicht-nuklearen Prinzipen“ Abstand nehmen soll. Diese Prinzipien besagen: keine Entwicklung von Atomwaffen, kein Besitz von Atomwaffen und keine Einfuhr von Atomwaffen.
Angesichts dieser Diskussionen und der Weigerung Takaichis, ihre Aussage zurückzunehmen, ist davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen China und Japan auch noch längere Zeit sehr frostig sein wird. (Kurz vor Redaktionsschluß kam die Meldung, dass Takaichi sich immerhin zur Ein-China-Poilitik bekennt. Ob das aber ausreicht?). Das ist auch das Fazit eines gerade erschienenen Artikels von Kento Fukuta und Alexandra Sakaki in der Reihe SWP Aktuell der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Die Beziehungen sind und bleiben fragil.“
Info:
Hier ein Video vom Treffen Liu Jinsong-Masaaki Kanai: https://www.scmp.com/video/china/3333710/tokyo-complains-over-video-diplomat-appearing-bow-chinese-official?utm_medium=email&utm_source=cm&utm_campaign=enlz-today_hk&utm_content=20251122&tpcc=enlz-today_hk&UUID=31a53991-e894-499b-ae88-70eac9a00340&article_id_list=3333751,3333736&tc=9
Und hier das SWP Aktuell von Kento Fukuta und Alexandra Sakaki: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2025A52/