ARTIKEL I Xinjiang

Viele reden und schreiben über Chinas westliche Region Xinjiang, waren aber noch nie dort. Und die, die dort waren, werden als Büttel des chinesischen Staatsapparats beschimpft. So ist es einer Delegation von deutschen Wissenschaftlern – darunter Thomas Heberer und Helwig Schmidt-Glintzer – gegangen, die 2023 dort waren und danach ihre Eindrücke und Erlebnisse veröffentlichten. Und so wird es auch Wolfgang Müller gehen, der im Sommer durch Xinjiang reiste und darüber soeben in einer Publikation des isw – sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. schrieb. Müller ist kein Wissenschaftler, er ist Praktiker. Er war Softwareentwickler, hat zwölf Jahre lang für amerikanische Computerhersteller gearbeitet. Später war er bei der IG Metall Bayern für die Konzerne Siemens und Schäffler zuständig. Schon früh beschäftigte er sich mit China, wo er auch zwei Jahre lebte, und über das er inzwischen einige Bücher geschrieben hat.

Die Xinjiang-Reise im Sommer erfolgte auf Einladung des chinesischen Außenministeriums. Zusammen mit 23 weiteren Journalisten und Schriftstellern reiste er acht Tage nach Urumqi, Kashgar und in die Ily Provinz. Es sei ihm klar gewesen, dass das Außenministerium die Absicht verfolge, international eine andere, positive Botschaft von der Lage in Xinjiang zu vermitteln. „Aber ich wollte selbst einen Eindruck von der Situation in Xinjiang gewinnen“, schreibt er. Seinen Gesamteindruck beschreibt er so: „Das Leben ist nicht anders als sonstwo in China.“ Den Menschen gehe es vergleichsweise gut. Er habe „keine Hinweise für die Unterdrückung der uigurischen Kultur und der Traditionen und Bräuche“ gefunden. Es könne zwar als sicher gelten, dass Uiguren im Zuge der Terroristenbekämpfung zeitweilig in Arbeitslager zur Umschulung und politischen Bildung kamen. Aber die in deutschen Medien ständig wiederholte Zahl von zeitweilig 1-2 Millionen Uiguren in Arbeitslagern erscheine absurd. Seine Rechnung: „Das hätte bei ca. 10 Mio. Uiguren insgesamt – inklusive Kleinkindern und Alten – bedeutet, dass alle uigurischen Männer im besten Alter zwischen 16 und 40 weggesperrt waren. Das ist nicht glaubhaft.“

Die Frage bleibt: Wem soll man glauben? Denen, die dort waren, oder denen, die aus der Ferne die Region beobachten?

Info:

Hier der Artikel von Wolfgang Müller: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5383-xinjiang-boomregion-nach-erfolgreichem-kampf-gegen-terrorismus

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