WIRTSCHAFT I Apple in China – eine gegenseitige Abhängigkeit

Dass Apple in China produzieren lässt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Aber wie tief Apple mit China verbunden ist, erfährt man in einem Buch, das vor kurzem auf den Mark gekommen ist. Es hat den schlichten Titel „Apple in China“. Geschrieben hat es Patrick McGee, der mehrere Jahre für die britische Wirtschaftszeitung Financial Times gearbeitethat. Er beschreibt nicht nur Apples Engagement in China, sondern bewertet es auch, wie aus der Unterzeile des Buchtitels hervorgeht: „The Capture of the World’s Greatest Company“, also die Eroberung des weltgrößten Unternehmens. McGees These ist, dass Apple von China profitiert hat, aber China noch mehr von Apple. Apple hätte China stark gemacht, hätte viel Know-How transferiert und 26 Millionen Chinesen ausgebildet.

Für das Buch führte McGee über 200 Interviews – vor allem mit ehemaligen Mitarbeitern von Apple. Das Unternehmen selbst kooperierte nicht mit dem Autor und monierte nach der Veröffentlichung, dass „claims in the book are untrue“, ohne allerdings in die Details zu gehen. Nicht dementiert wurde der gigantische Investment-Plan, den Apple-Chef Tim Cook 2016 ausgehandelt haben soll. Danach sagte er zu, für die nächsten fünf Jahre 275 Milliarden Dollar in China zu investieren. Das sei mehr als der Marshall-Plan, mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg das darniederliegende Europa aufpäppelten, sagt McGee. Apple überwies nicht nur Geld, sondern schickte auch Leute: „The company sent fleeds of engineers, designers, managers and other staffers“, schreibt McGee. Apple hätte deshalb United Airlines überzeugt, mehr Direktflüge von San Francisco nach Shanghai zu etablieren. Auf den täglichen Flügen zwischen den beiden Städten hätte Apple stets 50 Sitze in der Business Class gebucht. Eine „Gang of Eight“ – darunter China-Experte Dough Guthrie – hätte das China-Investment gesteuert. In den vergangenen 20 Jahren habe der Konzern eine unvergleichliche – wie McGee es nennt – „red supply chain“ in China aufgebaut. Produziert wird in Fabriken, in denen Hunderttausende arbeiten. Diese gehören nicht Apple, sondern chinesischen bzw. taiwanesischen Lohnfertigern wie Foxconn, Luxshare oder Goertek. Um diese Fabrikstädte herum entstanden viele Zulieferer: „The Foxconn hubs in China are surrounded by hundreds of sub-suppliers all ready to compete for the next major order”,schreibt McGee.

Inzwischen ist ein Eco-System entstanden, das nicht so leicht replizierbar ist. Am ehesten noch in Vietnam, wohin Apple einige Produktionen verlagert hat. Das funktioniere aber nur deshalb, weil „they are close enough to China to be able to get all the materials and components.” Und was ist mit einer Verlagerung nach Indien, worüber gerade so viel geredet wird? „Not much is happening in India. Only the final step”, sagt McGee. Die indische Produktion sei von der chinesischen supply chain abhängig. Eine solche in Indien aufzubauen, sei unmöglich, auch weil Indien nicht so effizient und schnell sei wie China: „In India the speed is at one-tenth of China“.
Was für Indien gilt, gilt erst recht für die USA. Präsident Trump fordert ja von Tim Cook schon länger, dass Apple wieder in den USA produziert. Das sei unmöglich, sagt McGee: “We’re lacking so many things.” Woher sollen denn all die Arbeiter kommen, fragt er eher rhetorisch. Solche gigantischen Fabriken in den USA hochzuziehen, sei unvorstellbar. Da müsste man ja zum Beispiel alle Beschäftigten in Boston auffordern, iPhones zusammenzubauen. Neben der Quantität mangelt es in den USA auch an Qualität. McGee berichtet von Schwierigkeiten beim Aufbau einer Apple-Fabrik in Texas, die Mac Pros herstellen sollte: „They needed to fly Chinese engineers into America‘s heartland to complete the project.“ Verrückte Welt: Der einstige Lehrling musste dem ehemaligen Lehrmeister Nachhilfe geben.

Info:

Patrick McGee: Apple in China: The Capture of the World’s Greatest Company, Sribner, 448 Seiten, 29 $. (Das Buch erscheint Ende Oktober unter demselben Titel auch auf Deutsch im Plassen Verlag, Preis 29 Euro).

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