WAN HUA ZHENG 万花阵 I Was Huawei-Gründer Ren Zhengfei wirklich sagte – und warum es wichtig ist / Von Liu Zhengrong*

Am 10. Juni gewährte Huawei-Gründer Ren Zhengfei dem chinesischen Parteiblatt People’s Daily ein seltenes Interview, das sogar  auf der Titelseite erschien. Die britische Financial Times machte daraus als Erste die Schlagzeile „China’s Huawei plays down its chipmaking capabilities“ – eine Formulierung, die deutsche Medien nahezu ausnahmslos und fast wortgleich übernahmen. Wer jedoch Rens Originalaussagen liest, erkennt schnell: Die FT-Überschrift verfehlt den Kern seiner Botschaft. 

Zwar räumte Ren ein, dass Chips von Huawei “noch eine Generation hinter den amerikanischen zurückliegen“. Das ist eine ohnehin bekannte Tatsache, denn Huawei, ebenso SMIC und seit Neuestem auch Xiaomi kämpfen weiter mit der Herstellung von hochwertigen Chips unter 7 Nanometern. Doch Rens zentrale Botschaft war unverkennbar eine andere:  „Wir nutzen Mathematik, um physikalische Grenzen auszugleichen; wir ergänzen Moores Gesetz durch Nicht-Mooresche Lösungen; wir setzen Cluster-Computing ein, um (schwächere, Silizium-basierte) Einzelchips zu unterstützen. Am Ende erreichen wir genauso praxistaugliche Ergebnisse.“ Mit anderen Worten: Die neueste Chip-Generation ist nicht der alleinige Königsweg. Huawei wird die Lücke schon schließen. In der Zwischenzeit hilft wirksame Improvisation durch Systeminnovation aus.

Noch deutlicher wurde Ren bei der Chip-Design-Software: „Software ist nicht sanktionierbar – sie basiert auf Mathematik, Code und Algorithmen, nicht auf Hardware. Eine Blockade (von Software) ist nicht möglich.“  Das war eine klare Kampfansage, allerdings ohne die Nennung der USA. Denn die Trump-Administration hatte erst Ende Mai amerikanische Hersteller von Halbleiter-Designsoftware angewiesen, sämtliche Geschäfte mit chinesischen Kunden einzustellen.

People’s Daily selbst wählte als Überschrift für das Interview ein Zitat von Ren: „Je offener das Land ist, desto mehr Fortschritte machen wir (bei Huawei).“ Eine bemerkenswerte Aussage – impliziert sie doch, dass China noch offener werden muss. Ren führte im Lauf des Gesprächs nur kurz aus, was er damit meinte: „Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft, mit einem Staat, der strikt nach Gesetzen und Vorschriften regiert.“ Überbewerten sollte man diese Aussage nicht. Gut ist es trotzdem, wenn einer der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmer des Landes eine solch klare Position bezieht.

Gefragt nach seiner Einschätzung zu Künstlicher Intelligenz generell, betonte Ren: „Letztlich liegen Algorithmen nicht in den Händen von IT-Spezialisten, sondern bei Experten aus allen Branchen. In der Praxis setzt China industrielle KI gerade sehr schnell um – daraus werden viele chinesische Modelle entstehen.“ Was er nicht explizit erwähnte: In immer mehr solcher „Modelle“ quer durch die Branchen mischt Huawei kräftig mit.

Überhaupt: Es gibt kein Unternehmen auf der Welt, das sich gleichzeitig mit so vielen globalen Giganten im Wettbewerb befindet. Huawei gegen Ericsson/Cisco (Telekom-Ausrüster), Siemens/Rockwell (Industrieautomatisierung), GE/ABB (Energielösungen), NVIDIA/Intel (Halbleiter), Microsoft/Google (Software, Cloud Computing), Apple/Samsung (Consumer Electronics, Betriebssysteme) und schließlich Tesla (EV, autonomes Fahren). Huawei schafft es sogar, überall konkurrenzfähig, wenn nicht gar führend zu sein. Dabei müsste man noch die umfassenden US-Sanktionen gegen Huawei sowie die erbitterten innerchinesischen Konkurrenzkämpfe auf jedem der genannten Gebiete mitberücksichtigen.  

Deshalb ist es so schade, dass das aktuelle Ren-Interview derart stereotyp und selektiv wiedergegeben wurde. Beim Thema Chips zeigte Ren einen Weg auf, den auch Deutschland gehen könnte angesichts und trotz der digitalen und KI-Übermacht der Vereinigten Staaten. Milliarden Staatssubventionen für Chipherstellung ohne Mitbesitz von Kern-Knowhow ist der falsche Weg. Vermeintlich schwächere Chips können viel mehr leisten wenn man nicht devot nach den Vorgaben amerikanischer Quasi-Monopolisten tanzt, sondern wie Huawei andere Wege wagt. Hier könnte der Staat gezielter unterstützen.

Die längste Ausführung des Ren-Interviews hatte übrigens gar nichts mit Chips zu tun. Es war ein leidenschaftliches Plädoyer für langfristige Grundlageforschung: Sie macht – so Ren – „ein Drittel des Forschungsbudgets von Huawei aus, ist grundsätzlich frei von der üblichen jährlichen Leistungsbeurteilung, weil Grundlagenforschung so nicht bewertbar ist!“ Ein möglicher Anstoß für deutsche Unternehmer, Vorstände und Politiker?  

Man kann selbstverständlich Rens Vision auch kritisch beurteilen. Die Zeit wird es zeigen, ob Rens Strategie langfristig erfolgreich sein wird. Skepsis ist ebenfalls angebracht, was nach Ren (80) mit diesem so komplexen Unternehmen passiert. Was allerdings für Kritiker und Bewunderer gleichermaßen gilt: Man sollte sich schon die Mühe machen, einen Mann wie Ren Zhengfei und seine Gedankenwelt richtig zu erfassen.

Wan Hua Zhen hat in der Vergangenheit schon mehrmals Thomas L. Friedman zitiert. Da auch Ren in dem Juni-Interview Friedman erwähnte – dieser hatte im Frühjahr den riesigen Forschungscampus von Huawei in Shanghai besucht – zitiert Wan Huan Zhen erneut den mehrmaligen Pulitzerpreisträger, diesmal mit zwei Absätzen aus einem Artikel mit dem langen Titel: „I just saw the future. It was not in America”:

„… If you are a U.S. lawmaker and want to bash China, be my guest, I may even join you for a round … but at least do your homework. There is too little of that in both parties today and too much consensus that the politically safe space is to hammer Beijing, chant a few rounds of ‘U.S.A., U.S.A.”, issue some platitudes that democracies will always out-innovate autocracies and call it a day.”

“I prefer to express my patriotism by being brutally honest … I believe the best future for both of China and US, on the eve of the AI revolution, is a strategy called: Made in America by American workers in partnership with Chinese capital and technology.”

Es wäre schön, wenn es in Deutschland eine ähnliche Stimme gäbe. Sie könnte die öffentliche Debatte über die überfällige Korrektur der deutschen China-Strategie beleben.

Info:

Hier die englische Übersetzung des Ren-Interviews von Manoj Kewalramani (Takshashila Institution): https://trackingpeoplesdaily.substack.com/p/ren-zhengfeis-front-page-interview

Und hier der New-York-Times-Artikel von Michael Friedman:

https://www.nytimes.com/2025/04/02/opinion/trump-tariffs-china.html?smid=nytcore-ios-share&referringSource=articleShare

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