Der Fünf-Jahres-Plan ist eigentlich ein Relikt aus den 50er Jahren. Damals führte China ihn nach sowjetischem Vorbild ein. Der erste umfasste den Zeitraum von 1953 bis 1957. Der aktuelle trägt die Nummer 14 und gilt noch bis Ende dieses Jahres. Dann tritt der neue, der 15. Fünf-Jahres-Plan in Kraft. Er gilt für den Zeitraum von 2026 bis 2030. Es werden stark richtungsweisende Jahre sein – für China, aber auch für die Welt. Deshalb wird der nächste Plan ein wichtiges Dokument sein. Die Fünf-Jahres-Pläne sind zwar längst nicht mehr so detailliert wie einst, aber sie geben Richtungen vor. Durch sie kann man erkennen, welche Schwerpunkte Partei und Regierung in den nächsten fünf Jahren setzen werden.
Hinter den Kulissen wird – wie üblich – schon seit Monaten an dem neuen Plan gearbeitet. Zentrale koordinierende Rollen spielen dabei auf Regierungsseite die NDRC (National Development and Reform Commission) und auf Parteiseite das Zentralkomitee der KP Chinas. Derzeit ist man in der Konsultationsphase. Es werden Experten, Verbände und Ministerien, aber auch die Bevölkerung befragt. Und es gibt mehrere Symposien, an denen auch Parteichef Xi Jinping teilnimmt. Beim Erstellen des 14. Fünf-Jahres-Plans gab es zwischen Juli und September 2020 sieben Symposien, die Xi Jinping geleitet hat. Wie viele es dieses Jahr sein werden, ist noch unklar. Aber das erste fand schon statt, nämlich am 30. April in Shanghai. Dort traf Xi Jinping auf Unternehmer und Wirtschaftsexperten.
Auch die NDRC hält Treffen mit unterschiedlichen Gruppen ab, um deren Erwartungen an den Plan zu hören. So traf sich zum Beispiel am 10. Juni die NDRC-Spitze mit den Chefs von fünf privaten Unternehmen – darunter Ant Finance, das Biotech-Unternehmen BGI und Moore Threads, das von einem ehemaligen Nvidia-Manager geleitet wird. Danach gab NDRC-Chef Zheng Shanjie geradezu eine Lobeshymne auf die Privatwirtschaft: „The private sector possess strong innovation moment, great potential and abundant visability.“
Aber auch der einfache Bürger kann Ideen und Vorschläge einbringen. Am 21. Mai wurde die Bevölkerung aufgefordert, online ihre Meinung zum 15. Fünf-Jahres-Plan einzubringen. Die Parteizeitung People’s Daily, die Nachrichtenagentur Xinhua, die staatliche China Media Group sowie das Portal xuexi.cn haben hierzu auf ihren Webseiten und Apps entsprechende Links geschaltet.
Noch sind also die Macher des 15. Fünf-Jahres-Plans in der Sammelphase. Ein Entwurf wird erst im Herbst vom Zentralkomitee der KP vorgelegt. Verabschiedet werden soll der Plan dann im März 2026 auf der alljährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses.
Doch jetzt schon zeichnen sich – wenn man Artikel und Reden aufmerksam studiert – folgende Schwerpunkte des Plans ab:
- Steigerung des privaten Konsums: Spätestens nach dem Arbeitsbericht von Ministerpräsident Li Qiang beim NVK im März hat dies hohe Priorität. Die Frage ist nur, wie der Konsum forciert werden soll. Diskutiert werden staatliche Zuschüsse zum Erwerb bestimmter Güter wie Möbel, weiße Waren oder Autos. Vor allem einkommensschwache Gruppen wie Bauern und Rentner sollen in den Genuss dieser Unterstützung kommen. Da 2030 über 300 Millionen Chinesen über 60 Jahre alt sind, wird auch über ein weiteres, sukzessives Anheben des Rentenalters nachgedacht. Für die ländlichen Gegenden ist ein milliardenschweres Revitalisierungsprogramm vorgesehen.
- Steigerung der Innovationsfähigkeit: Seit Xi Jinping den Begriff der „new qualitiative productive forces“ in die Diskussion eingeführt hat, dreht sich vieles um weitere Fortschritte bei den neuen Technologien. Der Schwerpunkt wird auf Künstliche Intelligenz (Plan „AI Plus“), Halbleiter, Quantentechnologie und Biotech gelegt. Bei KI wird angestrebt, dass sie in möglichst viele Branchen integriert wird. Interessant ist auch, dass im vorgesehenen Zeitraum des Plans auch der Telekom-Standard 6G eingeführt wird. Man rechnet mit einem commercial rollout im Jahr 2028. Weiteres Ziel ist, dass man bei möglichst vielen Technologien unabhängig vom Ausland werden will.
- Weiterer Ausbau der grünen Energie: 2030, also der Endpunkt des Fünf-Jahres-Plans, ist ein ganz wichtiges Datum für Chinas Energie- und Umweltpolitik. 2030 ist das Jahr, in dem China seinen Peak beim CO2-Ausstoß erreichen will. Danach soll er kontinuierlich sinken. Es werden deshalb große Anstrengungen unternommen, um diese Wende zu erreichen. Das bedeutet vor allem den weiteren Ausbau der Energieträger Sonne, Wind, Wasser und Kernkraft. Gleichzeitig wird eine deutliche Reduzierung des Kohleverbrauchs angestrebt.
- Diversifizierung des Handels: Die Abhängigkeit von den USA soll weiter verringert werden. Der Handelsanteil mit den BRICS-Staaten soll deutlich erhöht werden. Auch sollen die Beziehungen mit den Asean-Staaten, Afrika und Lateinamerika, also dem Globalen Süden, weiter ausgebaut werden. Angestrebt wird auch eine weitere Internationalisierung des Yuan.
Info:
Eine Übersicht über den Stand der Diskussion um den Fünf-Jahres-Plan gibt es hier im China Briefing:
https://www.china-briefing.com/news/chinas-15th-five-year-plan-what-we-know-so-far/