KULTUR I Ein Blick hinter die Kulissen des chinesischen Theaters

Einen interessanten Ein- und Überblick über die zeitgenössische chinesische Theaterszene gibt ein Beitrag von Chen Tian, der in Nachtkritik erschienen ist. Chen Tian ist außerordentliche Professorin am Fachbereich Theater, Film und Fernsehen an der School of Liberal Arts der Universität Nanjing. Sie teilt die Theaterlandschaft in drei Bereiche ein: staatliche, private und unabhängige.

Staatliches Theater: Im Jahr 2020 gab es 1643 staatliche Theaterorganisationen. Sie sind von staatlichen Geldern abhängig und müssen sich der staatlichen Kulturpolitik anpassen. Sie befinden sich – so Chen Tian – „ in einem „Kreislauf aus angepasster Themensetzung, Hoffnung auf staatliche Auszeichnungen und Finanzzuweisungen“. In den späten 90er und den frühen 2000er Jahren hätten systemnahe Dramatiker (wie Yao Yuan, Li Longyun oder Guo Shixing) noch eine gewisse künstlerische Autonomie gehabt. Heute hätten dagegen staatsnahe Künstler Belohnungen und Zensurmechanismen längst verinnerlicht. Sie zeigen eine starke Vorliebe für literarische Adaptionen, insbesondere von klassischen Romanen wie „Der Traum der roten Kammer“. Aber auch zeitgenössische preisgekrönte Literatur wie die von Mo Yan, Yu Hu oder Liu Zhenyun schätzen sie.

Privates Theater: Dieses habe sich zu einem deutenden Gegengewicht zum staatlichen Theater entwickelt, schreibt Chen Tian. Als Beispiele für dieses Gattung nennt sie vier Bühnen in Beijing: Meng Theater Studio (Meng Jinghui), Stan Lais Workshops, Drum Tower West Theater und Magnificient Culture. Sie widmeten sich vor allem dem Genre des Musicals und invasiven Performances. Als bekannte Produktionen werden „Rhinoceros in Love“, „Secret Love in Peach Blossom Land“ und „A Dream Like a Dream“ genannt. Diese Theater überleben vor allem dank hoher privater Investitionen, zum Beispiel von Fonds der Kultur- und Unterhaltungsindustrie, Internetkonzernen und Produktionsfirmen wie Seven Ages und Focustage.

Unabhängige Theater: Hier hat Chen Tian drei bedeutende Institutionen ausgemacht: Dadao Company in Beijing (Leiter ist der Komiker Chen Peisi), Yesoo Company der Universität Nanjing und Nine Theater Group in Beijing. Auf diesen Bühnen würden oft im historischen Gewand heutige Konflikte durchgespielt. Für Chen Tian zeigten solche Stücke, „dass auch im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima ernsthafte künstlerische Auseinandersetzungen mit relevanten Themen möglich sind. Der Rückgriff auf die Geschichte hilft dabei, politische Inhalte durch die Genehmigungsverfahren zu bekommen.“

Info:

Hier der Artikel von Chen Tian in Nachtkritik:

https://nachtkritik.de/international/asien/theaterbriefe-aus-china/ueberblick-ueber-das-zeitgenoessische-theater-in-china

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