Zwei Tage lang verhandelten die USA und China in Genf, um danach überraschenderweise Zollsenkungen auf beiden Seiten zu verkünden. Auf US-Seite war Finanzminister Scott Bessent neben dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer der amerikanische Verhandlungsführer. Nach den Gesprächen gab er dem Sender CNBC ein Interview. In diesem lobte er seinen chinesischen Counterpart: „The vice-premier is a very skilled negotiator. I had a very good briefing beforehand.” Er meinte damit He Lifeng (70), einem von vier Vizepremiers unter Ministerpräsident Li Qiang und sicher der wichtigste. Denn He Lifeng ist für das Wirtschafts- und Finanzressort zuständig. Das amerikanische Wirtschaftsblatt The Wall Street Journal beschrieb ihn schon 2024 als „one of the men holding the keys to the Chinese economy.”
Wer ist dieser He Lifeng? Er wurde in der Provinz Guangdong geboren und gehört der Hakka-Minderheit an. Er studierte in Xiamen in der benachbarten Provinz Fujian Finanzwissenschaften und machte dort auch seinen Doktor. In Xiamen kreuzten sich auch zum ersten Mal die Wege von He Lifeng und Xi Jinping. Mitte der 80er Jahre wurde der junge Xi Jinping stellvertretender Bürgermeister von Xiamen. Es sollte eine Freundschaft werden, die bis heute anhielt. He Lifeng blieb lange Zeit in Fujian. Erst 2009 wechselte er nach Tianjin, die rund 100 Kilometer von Beijing entfernte Hafenstadt. Dort bekam er schnell den Ruf von „He the Demolisher“ schreibt die Nachrichtenagentur Reuters in einem Porträt über ihn. Er habe dort ein massives städtisches Restrukturierungsprogramm durchgezogen und teure Infrastrukturprogramme durchgesetzt, was zu einer hohen Verschuldung der Stadt geführt habe.
Als Xi Jinping 2013 an die Macht kam, holte er He Lifeng in seinen inneren Zirkel. Von 2017 bis 2021 war er Leiter der mächtigen National Development and Reform Commission (NDRC), einer Art Superministerium, in dem die industriepolitischen Leitlinien der Regierung definiert werden. Im März 2023 stieg dann He Lifeng weiter auf, als er einer von vier stellvertretenden Ministerpräsidenten wurde. Im Oktober 2023 wurde er Direktor des Office of the Central Commission for Financial and Economic Affairs. Spätestens damit war klar: He Lifeng ist Xi Jinpings neuer Economic Tsar.
In dieser Rolle trat er die Nachfolge von Liu He an. Doch im Gegensatz zu diesem ist er ein völlig anderer Typ. Er ist steifer als der umgängliche und eloquente Liu He, der einst in Harvard studierte und gut Englisch spricht. He Lifang hingegen war nie im Ausland und spricht auch kein Englisch. Aber er scheint sich zumindest in den letzten Jahren etwas gewandelt zu haben. Das attestieren ihm Reuters-Journalisten, die mit vielen ausländischen Gesprächspartnern redeten, die He Lifeng im vergangenen Jahr trafen. Ihr Resümee: „They described the 7o-year-old´s evolution from a stiff Communist Party apparatchik with non-existent English and a reluctance to stray from prepared remarks into a more confident figure who has impressed them with his ability to get things done.” Nach Reuters-Schätzungen traf He Lifeng allein im vergangenen Jahr über 60 ausländische Gesprächspartner aus Politik und Wirtschaft, darunter Apple-Chef Tim Cook, Nvidia-Gründer Jensen Huang und Pfizer-Boss Albert Bourla. In diesen Gesprächen hätte er stets Chinas exportorientierte Wachstumsstrategie verteidigt ebenso die daraus resultierenden Handelsüberschüsse.
He Lifeng wird auch künftig die weiteren Handelsgespräche mit den USA führen – ebenso übrigens solche mit der EU, denn er ist auf chinesischer Seite der Leiter des China-EU High-level Economic and Trade Dialogue.