WIRTSCHAFT I HNA am Boden

Chen Feng (68) ist schon seit September 2020 aus dem Verkehr gezogen. Der Gründer von Hainan Airlines bekommt seitdem weder Bahn- noch Flugtickets. Er ist auf einer schwarzen Liste der Regierung, weil er seine Schulden nicht bezahlen kann. Ende Januar hat es nun auch den von ihm aufgebauten Konzern – die HNA Group – erwischt. Das Oberste Gericht auf Hainan hat die Gruppe für zahlungsunfähig erklärt. Es ist das traurige Ende einer Erfolgsstory, die 1993 auf der Tropeninsel Hainan begann. Damals gründete Chen Feng Hainan Airlines, er startete mit einer Boeing 737. Kurze Zeit später stieg George Soros bei der jungen Fluglinie ein, die in den kommenden Jahren wuchs und wuchs. Sie stieg zu einer respektierten, mit vielen Preisen überhäuften Airline auf. Sie war die einzige private Fluglinie Chinas, die mit den drei großen staatlichen Carriern mithalten konnte. Soweit – so gut. Eine respektable Erfolgsstory eines Highflyers. Auch die nächsten Schritte des Unternehmens waren nachvollziehbar. Der Kauf von Caterern, Duty-Free-Shops, Flughäfen, und Hotels ließ sich noch unter dem Thema Tourismus fassen. Aber dann – so ab 2015 – wurde die Einkaufspolitik der HNA-Führer immer wirrer. Sie kauften den amerikanischen IT-Konzern Ingram Micro für sechs Milliarden Dollar. Sie erwarben in New York das Gebäude 245 Park Avenue für 2,2 Milliarden Dollar, eine der höchsten Summen, die je für einen Wolkenkratzer bezahlt wurde. Und sie stiegen mit knapp zehn Prozent bei der Deutschen Bank ein. Viele Beobachter fragten sich: Was soll das? Und sie rätselten: Welche Strategie steckt dahinter? Eigentlich nur eine: Größe um jeden Preis. Harvard-Professor William C. Kirby sagte damals: „Chens Ziel ist es, 2025 zu den Top-Ten-Unternehmen der Welt zu gehören.“ Auf diesem Weg kaufte er wahllos Unternehmen auf und verschuldete sich enorm. Es war schlicht Größenwahnsinn, den in ähnlicher Form auch zwei andere Konzerne – Anbang und Wanda – pflegten. Mitte 2017 schritt die chinesische Regierung ein. Sie konnte und wollte diesem Treiben nicht mehr länger zusehen. Sie zwang HNA, sich wieder auf ihr Kerngeschäft – Airlines – zu konzentrieren. Viele Beteiligungen – darunter auch die an der Deutschen Bank – musste HNA abstoßen, meist bekamen sie weniger als den Kaufpreis. Der Schuldenberg wuchs und wuchs und soll rund 100 Milliarden Dollar betragen. Das Corona-Jahr 2020 gab dem Unternehmen dann den Rest. Erst stand die Flotte still, und dann nach der Wiederaufnahme des innerchinesischen Flugverkehrs wurden die drei staatlichen Airlines – Sir China, China Eastern und Chinas Southern – bevorzugt behandelt. Wie geht es nun weiter mit der HNA Group? Der seit einem Jahr amtierende Chef Gu Gang bastelt an einem Restrukturierungskonzept. In einem soeben veröffentlichten Brief an die Mitarbeiter warb er um Geduld und harte Arbeit, aber er sehe Licht am Ende des Tunnels. Er sucht weiter nach privaten Investoren. Aber die hohen Schulden und die nach wie vor undurchsichtige Konzernstruktur schreckten die Anleger ab. So könnte es passieren, dass am Ende Air China – so die Gerüchte – HNA übernimmt und damit einen lästigen Konkurrenten loswird. Schön wäre es, wenn Air China aber nicht nur das Unternehmen übernehmen würde, sondern auch die Servicequalität von Hainan Airlines. Denn da hat Air China noch viel Luft nach oben.

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