CHINAHIRNfragt…Bernd Lange, Europaparlamentarier

Noch kennen den Text des Abkommens nur ein paar wenige. Haben Sie

ihn schon einsehen können?

Ja, ich habe einen vorläufigen Text. Die endgültige übersetzte Version wird es wohl erst in der zweiten Jahreshälfte geben.

Wie beurteilen Sie nach Einsicht das Abkommen?

Ich betrachte das Abkommen grundsätzlich positiv. Nach 35 Verhandlungsrunden hat sich China deutlich bewegt. Sie haben viele Zugeständnisse gemacht. Sie bieten eine weitere Marktöffnung an. Das Abkommen verspricht zudem mehr Transparenz bei Staatsunternehmen. Es gilt ein Verbot von Diskriminierung und Technologietransfer. Kurzum: Es bietet eine Menge Rechtssicherheit für ausländische Unternehmen.

Papier ist geduldig. Wird sich China an die schriftlich fixierten Abmachungen halten?

Die Frage der Umsetzung, der Nachhaltigkeit ist in der Tat eine wichtige. Dieser Punkt wird bei den Beratungen im Parlament sicher eine wichtige Rolle spielen. Wahrscheinlich werden wir da Nachbesserungen verlangen. Bei den Handelsabkommen mit Kanada und Vietnam haben wir das zum Beispiel auch verlangt und durchgesetzt.

Wie lange wird denn der Beratungsprozess in Brüssel und Straßburg dauern?

Der Rat wird das Abkommen wohl bis Ende 2021 unterzeichnen. Dann geht es ins Europäische Parlament. Dass es dort so durchgeht, ist keine ausgemachte Sache. Bei Handelsabkommen gibt es immer welche, die prinzipiell dagegen sind. Ich schätze aber, dass 400 bis 470 Abgeordnete für das Abkommen sein könnten. Das wäre die Mehrheit. Aber es wird sicher mehr Kritik geben als zum Beispiel beim Abkommen mit Vietnam.

Kritiker werfen vor, dass angesichts der Lage in Hongkong und Xinjiang überhaupt ein Abkommen abgeschlossen wurde.

Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass man mit einem Handelsabkommen ein System ändern könne. Auch kann man das Problem der Menschenrechte nicht mit einem Investitionsabkommen lösen, ebensowenig die Fragen der Seidenstraße oder des Südchinesischen Meeres.

Noch ein Kritikpunkt: Warum das Abkommen gerade jetzt? Hätte die EU nicht warten sollen, bis die neue US-Regierung im Amt ist, um dann mit ihr gemeinsame Sache – auch gegen China – zu machen?

 Ich betrachte dieses Abkommen als einen Beweis für die strategische Autonomie der EU. Früher hatten wir ein enges Verhältnis mit den USA, aber dem ist heute nicht mehr so. Die Interessenlage zwischen den USA und der EU ist gerade in Handelsfragen inzwischen sehr unterschiedlich.

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Bernd Lange (SPD) ist Mitglied des Europäischen Parlaments und dort Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel.

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