WER MACHT WAS? I China-Schulakademie

In den deutschen Lehrplänen ist China bisher meist eine Leerstelle gewesen. Ich rede gar nicht von Chinesisch als Fremdsprache, ich rede von China als Thema in Geschichte, Geographie, Sozial- oder Gemeinschaftskunde. China, immerhin eine Weltmacht, findet im Unterricht an vielen Schulen nicht oder kaum statt. Aber diese Ignoranz können wir uns nicht länger leisten.

Eine deutsche Hochschule tut sich bei der Behebung des Defizits besonders hervor – die Universität Heidelberg. An ihr laufen mehrere Projekte. Seit 2006 bereits gibt es das Programm „China an den Schulen“. Es ist besetzt mit Studierenden und Mitgliedern des Alumni-Netzwerk SHAN am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg. Sie organisieren und betreuen AGs an Schulen der Region.

Ganz neu ist das Projekt „China-Schulakademie“.  Es wird vom BMBF für vier Jahre gefördert. Leiterin ist Barbara Mittler, seit 2004 Lehrstuhlinhaberin für Sinologie und Mitbegründerin des Existenzclusters Asien und Europa im globalen Kontext (2007-2019) und des CATS (Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien). Sie sagt: „Unsere Aufgabe ist es, Seminarkurse für die Oberstufe und Lehrmodule für die Mittel- und Unterstufe zu entwickeln.“ Zunächst hat Mittlers achtköpfige Team mit einer Bestandsaufnahme begonnen, um zu sondieren, ob und wie China in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer berücksichtigt wird. Das Ergebnis fiel – wie nicht anders zu erwarten – durchaus

 ambivalent aus. Obwohl die Lehramtsausbildung in den meisten Fächern wie Geschichte oder Geographie keinen Fokus auf China hat, taucht China sogar in vielen Lehrplänen prominent auf.

Barbara Mittler und ihr Team, deren Arbeit den Segen der Kultusministerkonferenz (KMK) hat, erarbeiten nun für diese Fächer, aber auch Politik und Ethik, Religion und Literatur Lehrmodule, die Lehrer dann abrufen und in den Unterricht integrieren können. Dafür baut das Projekt auch eine Online-Plattform mit dem Namen „ChinaPerspektiven“ auf. Dort sollen Unterrichtsmaterialien abgerufen werden, es wird Recherche- und Übersetzungshilfen sowie die Möglichkeit zur Einrichtung von virtual classrooms etwa mit chinesischen Partnerschulen geben.

Welche Inhalte werden in den Modulen angeboten? Mittler sagt: „Wir greifen aktuelle Probleme auf, so zum Beispiel die alternde Gesellschaft.“ Neben der Beschreibung der Problematik würde auch der geschichtliche Hintergrund – in diesem Falle die Ein-Kind-Politik und die konfuzianischen Pietätslehre– miteinbezogen. Auch der Blick nach Taiwan oder zu den Überseechinesen (etwa in Singapur) soll erfolgen. Denn – das ist Barbara Mittler wichtig – : „Wir versuchen bei jedem Thema historisch in die Tiefe und regional in die Breite zu gehen.“ Sie bringt noch ein Beispiel zur Verdeutlichung: „Wenn wir etwa über das Demokratieverständnis in China (dem Festland ebenso wie Taiwan) reden wollen soll ruhig auch Menzius vorkommen“ (der Philosoph lebte im 4. Jahrhundert vor Christus und hat eine Theorie von guter Regierungskunst entwickelt, bei der das „Volk die Wurzel“ ist). Tabuthemen wird es nicht geben. Im Gegenteil: Wichtig erscheint es dem Team, genau bei den Fragen anzufangen, die den Schülern täglich in den Medien begegnen. „Natürlich müssen wir auch die Menschenrechtsfrage ansprechen,“ sagt Mittler.

Aber nicht nur für Lehrer, sondern auch für Lehramtskandidaten bietet das Heidelberger Projekt Nachhilfe in Sachen China an. Studienbegleitend können angehende Lehrer – egal welche Fächer sie später unterrichten – das Zertifikat „China-Kompetenz für die Schule“ erwerben. In Seminaren und Vorlesungen, die über 2-3 Semester angeboten werden, wird ihnen Basiswissen über China in Geschichte, Politik, Literatur, Wirtschaft und Sprachwissenschaft vermittelt.  Das Angebot stößt auf Resonanz. Barbara Mittler: „Aus fast allen Bundesländern haben wir schon Zuschriften, mit der Bitte, bestimmte Schulen und Lehrer in einer Pilotphase bei den Seminarkursen zu begleiten.““

Heidelberg – ein Vorbild. Zur Nachahmung empfohlen.

Info:

Mehr über das Projekt und deren Ansprechpartner gibt es hier: https://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/csa/projekt.html

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