POLITIK I HONGKONG – DAS NEUE BERLIN

   Bis vor kurzem war das Metro Park Hotel ein beliebtes Touristen-Hotel. Vier Sterne, toller Blick auf den Hafen und über den Victoria Park, und als Höhepunkt ein Pool auf dem Dach. Will man aber jetzt eines der 266 Zimmer buchen, heisst es auf der Hotel-Website: „Please note that the website is now under system maintenance and the service is temporarily unavailable.“ Das Hotel wird wohl längere Zeit nicht verfügbar sein, denn es sind neue, geheimnisvolle Bewohner eingezogen.

     Anfang Juli feierten sie eine Art Housewarming-Party. Streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit sassen sie auf Stühlen mitten auf der Straße vor dem Ex-Hotel. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam höchstpersönlich war erschienen und hielt (auf Mandarin und nicht Kantonesisch) eine kurze Rede. Und dann enthüllten sie neben dem Eingang eine Tafel, auf der stand in Chinesisch und Englisch: „The Office for Safeguarding National Security of the Central People’s Government in the Hong Kong Special Administrative Region.“ Damit war klar: Auf den 33 Stockwerken hausen jetzt chinesische Polizisten, Diplomaten, Geheimdienstler, Spione – nichts Genaues weiß man nicht.

    Für Joshua Wong, einer der Gallionsfiguren der Demokratiebewegung, ist dieser Einzug keine gute Nachricht. Aber er bestätigt seine Aussage, die er schon vor Monaten gemacht hat: “Wenn wir jetzt in einem Kalten Krieg sind, dann ist Hongkong das neue Berlin.“

      Wir sind im Kalten Krieg, also ist Hongkong das neue Berlin. Hongkong ist die neue Frontstadt. Hier trifft der liberale auf den staatlichen Kapitalismus, Demokratie auf Autokratie, der Westen auf den Osten. Und wie es sich für eine Metropole des Kalten Krieges gehört, wimmelt es hier immer von Spionen.       

        Hongkong war schon immer eine Drehscheibe für legal wie illegal erworbenen Informationen. Hier wohnten und arbeiteten viele Journalisten aus allen Herren Länder und beobachteten von diesem sicheren Ort aus, was um sie herum in Asien und China so passierte. Korea-Krieg, Vietnam-Krieg, Aufstände hier und dort – es gab viel zu berichten. Im legendären Foreign Correspondents` Club (FCC) oben an der Lower Albert Road hängen heuten noch Bilder und Texte dieser Journalisten.

        Im Zweiten Weltkrieg war Hongkong neben Casablanca und Lissabon ein beliebter Aufenthaltsort für Spione. Im ersten Kalten Krieg wurden dann Wien und Berlin die Metropolen der Spione. Und Hongkong blieb es. Interessant: Es gab in Hongkong lange Zeit kein Gesetz, dass Spionage verboten war.

    Natürlich waren und sind die Briten als (ehemalige) Kolonialherren mit ihrem Geheimdienst MI6 in Hongkong gut vertreten. Die Architekten, die die MI6-Zentrale in London konstruierten, waren auch die, die das britische Generalkonsulat in Hong Kong bauten. Zufall?

    Schon in den 50er Jahren war das US-Generalkonsulat an der Garden Road Nummer 26 das größte Konsulat der Amerikaner weltweit. Die USA hatten – wie die meisten anderen westlichen Staaten – ja keine diplomatischen Beziehungen mit der Volksrepublik China. Hongkong war der Platz, der China am nächsten war. Deshalb war die Stadt für viele westliche Geheimpolizisten DER Horchposten. In einem Papier des US National Security Council (NSC) vom Juni 1960 heisst es: “Hongkong is the most important source of hard economic, political and military information on Communist China.”

     Das scheint wohl heute noch zu gelten. Das US-Generalkonsulat habe sein Personal kräftig aufgestockt, behaupten die Chinesen. Kurz nach der Übernahme anno 1997 von 610 auf über 1000 Beschäftigte. Derzeit sollen es gar 1600 sein. Darunter sind auch viele Mitarbeiter des Geheimdienstes CIA, sagt einer, der es wissen muss: Whistleblower Edgar Snowden, der einst auf seiner Flucht in Hongkong Zwischenstation machte.   

      Und es gibt nicht wenige Beobachter, die davon ausgehen, dass der CIA hinter den Kulissen die Proteste gegen China schürt und mitzündelt. Aber weil Geheimdienste nun mal geheim agieren, weiß man es nicht.

     Die neuen Bewohner des ehemaligen Metro Park Hotels wüssten es. Aber sie reden nicht. Sie sind ja auch vom Geheimdienst.

Info:

Ein kurzes Video von der eingangs erwähnten Einweihungsfeier gibt es hier: https://news.rthk.hk/rthk/en/component/k2/1536479-20200708.htm

No Comments Yet

Comments are closed